"Deutschland sagt 'Danke'!"
Mission Menschen anlächeln, jeden Tag zehnmal!
Der CDU-Politiker Ruprecht Polenz über die Macht des Dankes: Warum Freundlichkeit kein Luxus ist, sondern ein Stück politischer Kultur – und wie ein einfaches "Moin" die Gesellschaft verändern kann
Dringend gesucht: Frohsinn und Dankbarkeit
Cecilie_Arcurs/Getty Images
Tim Wegner
30.10.2025
4Min

chrismon: Herr Polenz, wann haben Sie zuletzt "Danke!" gesagt?

Ruprecht Polenz: Als ich vom Fußballspiel meiner Preußen aus Münster auf dem Fahrrad nach Hause gefahren bin. Ich kam an Polizeiwagen vorbei, eine Gruppe von Beamten stand daneben, und ich rief ihnen zu: "Danke für Ihren Einsatz am Samstagnachmittag!" Die Polizisten haben sich sichtlich gefreut.

Und umgekehrt: Wann fehlte Ihnen eine nette Geste Ihrer Mitmenschen?

Ein Klassiker ist: Ich fahre mit dem Auto durch eine enge Straße und zwänge mich in eine Parklücke, damit das entgegenkommende Fahrzeug an mir vorbeikommt. Ich bedanke mich immer, wenn das jemand macht. Und oft bedanken sich Menschen bei mir, wenn ich sie durchfahren lasse – aber eben nicht immer. Und das ärgert mich dann.

International book fair - Frankfurt. Frankfurter Buchmesse 2024. Foto: Ruprecht Polenz, deutscher Politiker *** International book fair Frankfurt Frankfurter Buchmesse 2024 Photo Ruprecht Polenz, German politicianManfred Segerer/IMAGO

Ruprecht Polenz

Ruprecht Polenz, geboren 1946, ist einer der reichweitenstärksten deutschen Politiker in den sozialen Medien (ca. 100.000 Follower bei X) und wurde 2020 mit dem Goldenen Blogger ausgezeichnet. Der Jurist und CDU-Politiker war von 1994 bis 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages. Polenz ist einer der Botschafter der Initiative "Deutschland sagt Danke!" und Unterzeichner der Plattform "Compass Mitte", einer Vereinigung von CDU-Mitgliedern, die für eine klare Abgrenzung zur AfD eintritt.

Die Corona-Pandemie liegt noch nicht lange zurück, Russlands Angriff auf die Ukraine, der Nahostkonflikt, die Klimakrise … Wir stehen vor sehr vielen Herausforderungen, es gibt viele schlechte Nachrichten, viel Verunsicherung. Ist ein "Danke!" dann nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Ein schlichtes Danke hilft natürlich nicht gegen Putins Angriffskrieg. Die Herausforderungen, die auf uns einprasseln, sind groß. Aber nur, wenn wir Hoffnung haben, können wir sie meistern. Mit einer Kultur des Sich-Bedankens wäre die gesamte Stimmung besser.

Warum?

Es gibt nichts, das die Stimmung so schnell hebt wie ein Danke – bei denen, die es hören, aber auch bei denen, die freundlich sind, die Danke sagen. Es tut einfach gut. In Deutschland fällt uns das schwer. Ich lebe in Münster, hier in Westfalen gibt es den Spruch: "Nichts gesagt ist gelobt genug." Ich habe mir sagen lassen, diesen Spruch gebe es in abgewandelter Form in sehr vielen Gegenden Deutschlands. Und das kennzeichnet unsere generelle Haltung.

Wir können halt schlecht raus aus unserer Haut …

Aber wir können uns herausfordern: Jede und jeder hat jeden Tag die Chance, sich zehnmal zu bedanken oder höflich zu sein – an der Supermarktkasse, im Bus, indem wir anderen den Vortritt lassen. Mal sehen, wie oft Sie das schaffen! Das wäre doch ein interessantes Experiment. So einen Selbstversuch kann man auch abwandeln. Eine Frau erzählte mir neulich, sie lächle täglich Menschen an und höre nicht auf, ehe zehn Leute zurückgelächelt hätten. Dabei fällt mir ein: Ich zehre immer von den Besuchen in Heide in Schleswig-Holstein, wo ich mit meiner Frau häufiger bin.

Inwiefern?

Wenn wir spazieren gehen, kommt es nie vor, dass jemand nicht "Moin!" sagt. Das tut mir gut. Ich glaube, das hat politische Effekte. In Schleswig-Holstein ist die AfD bisher schwach. Vielleicht verbessert ein freundliches "Moin!" die Stimmung entscheidend? Die Rechtsextremen leben von schlechter Laune. Sie werden von der AfD nie eine Äußerung hören, die Ihnen gute Laune macht. Der Tenor dieser Partei ist: Euch sieht niemand, euch hört niemand, seid schlecht gelaunt!

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Die Initiative "Deutschland sagt Danke!" warnt ja auch vor der Gefahr, dass niemand mehr öffentliche Ämter anstrebt, weil man dort nur Kritik, Häme oder unfreundliche Reaktionen kassiert.

Ich bin über diesen Punkt zu "Deutschland sagt Danke!" gekommen. Das Dankesagen hat eine politische Bedeutung. Insbesondere viele Kommunalpolitiker berichten, dass sie sich das Amt nicht länger antun wollen. Das macht mir Sorgen. Wenn ich irgendwo Vorträge halte, frage ich immer: "Wer von Ihnen hat sich schon mal bei Kommunalpolitikern bedankt?"

Und?

Nur wenige Hände regen sich. Manche fragen auch: Wofür soll ich mich bedanken, wenn die Kita keine verlässliche Betreuung mehr anbieten kann, der Zebrastreifen immer noch nicht fertig und das Schwimmbad marode ist?

Mancherorts stimmt das sicher auch.

Aber: Die Menschen in der Kommunalpolitik machen das ehrenamtlich. Die investieren vier, acht oder zwölf Stunden die Woche dafür, dass ihre Gemeinde vorankommt. In dieser Zeit könnten sie auch gemütlich auf dem Sofa sitzen. Das ist doch keine Selbstverständlichkeit! Und wenn ich das erkläre, sagen hinterher viele: "Stimmt, da hat er eigentlich recht."

Sie meinen, ich könnte zur nächsten Ortsbeiratssitzung gehen und mich einfach mal bedanken?

Machen Sie das! Ich bin sicher, das wird wie bei den Polizisten hier in Münster sein, bei denen ich mich nach dem Fußballspiel bedankt habe. Für die kam mein Danke unverhofft – und gerade deswegen haben sie sich gefreut.

Ich bin überrascht, dass Sie es mit Ihrer freundlichen Grundhaltung immer noch auf "X", das früher Twitter hieß, aushalten. Wie schaffen Sie das?

Diese Plattformen leben leider davon, dass die Algorithmen Ärger und Wut belohnen. Das sind richtige Schlechte-Laune-Maschinen. Aber es gibt diese Plattformen nun mal. Und wenn niemand dagegenhält, wird es noch schlimmer.

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