Glaubens WG
Der Jude Lars, die Hinduistin Sagitha, die Katholikin Gloria, der Buddhist Dharmasara, die Nichtgläubige Josimelonie und der Muslim Omar leben sechs Tage lang zusammen unter einem Dach
Finnegan Koichi Godenschweger/ZDF
Fernsehserie über Religionen
Ein interreligiöses TV-Experiment
Das ZDF steckt sechs junge Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen in eine Wohngemeinschaft. Das Ziel: mit Klischees und Vorurteilen aufzuräumen. Gelingt das Experiment?
Lena Uphoff
05.10.2024
4Min

Das ZDF hat für "Against All Gods" sechs junge Menschen in eine WG gesteckt. Die Sendung ist als Experiment angekündigt: Sechs Tage lang ziehen ein Jude, ein Muslim, eine Katholikin, eine Hinduistin, ein Buddhist und eine Nichtgläubige unter ein Dach – und streiten über Gott und die Welt.

Hört sich irgendwie nach "Big Brother" an. Bei diesem Reality-TV-Klassiker ziehen Menschen mit unterschiedlichen Ansichten in eine WG und werden rund um die Uhr gefilmt. Sie müssen Spiele und Herausforderungen meistern, verlieben sich und streiten. Vordergründig geht es um menschliche Schicksale und wie Zusammenleben gelingen kann. Aber eigentlich geht es darum, dass sich die Zuschauerinnen und Zuschauer über die Bewohner lustig machen können.

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In der "Glaubens-WG" gibt es zwar keinen Wettbewerb und keine Kameras, die rund um die Uhr filmen. Das perfekt dekorierte Berliner Loft und die "Confession Cam", in der die Bewohnerinnen und Bewohner alleine in die Kamera sprechen und ihre Gedanken teilen, zeigen dennoch Verwandtschaft zu Big Brother. Und auch das Krawallige von Big Brother haben sich die Macher und Macherinnen von "Against All Gods" irgendwie doch zum Vorbild genommen – wie es scheint. Sie wollen, dass es unterhaltsam wird. Zumindest das gelingt ihnen auch.

Im WG-Alltag, in Talkrunden und verschiedenen Spielen stellen sich die Bewohnerinnen und Bewohner die großen Fragen des Lebens. Die vorgegebenen Themen sind: Sünde, Reue und Vergebung und das Verhältnis zu Deutschland und seiner Geschichte. Sie sprechen über Liebe, Sex und Partnerschaft und beschäftigen sich mit dem Tod, Krieg und Frieden.

Es macht Spaß mitanzusehen, dass die Teilnehmenden sehr persönliche Einblicke in ihr (Glaubens-)Leben geben, ehrliches Interesse daran zeigen, den anderen zuzuhören und sie zu verstehen – gleichzeitig aber Unverständnis und Kritik klar benennen und nicht vor Konflikten zurückscheuen. Als die Bewohnerinnen und Bewohner Erfahrungen von Diskriminierung miteinander teilen, erzählt Atheistin Josi unter Tränen von Anfeindungen und Morddrohungen, die sie als Reaktion auf eine Dokumentation bekommen hat, in der sie ihre Transidentität thematisiert. "Dieser Hass gegen die Trans-Community hat so krass zugenommen. Ich denke mir, was stört euch meine Lebensrealität? Da tut auch Religion weh, in dem Moment, wo gesagt wird, eigentlich hat Gott nur Mann und Frau erschaffen. Das ist nicht meine Lebensrealität." Darauf können auch ihre WG-Mitbewohnerinnen und Mitbewohner nichts entgegnen, betroffen hören sie Josi zu und versuchen, sie zu trösten und zu bestärken.

In der vierten Folge diskutiert die Glaubens-WG mit der Journalistin Maria Popov anhand heiliger Texte über Liebe, Sex und Partnerschaft. Dabei wird das biblische Buch Levitikus 18,22 zitiert: "Du darfst nicht mit einem Mann schlafen, wie man mit einer Frau schläft; das wäre ein Gräuel." Popov bittet um eine Auslegung des Verses. Der Vers wird in Judentum und Christentum oft zitiert, um Homosexualität als gegen Gottes Willen darzustellen. Die katholische Christin Gloria bittet Lars zu übernehmen: "Mach du bitte, weil ich bin da leider nicht drin, tut mir leid!", sagt sie. Das zeigt ein Problem der Sendung. Manche Bewohner wie Lars oder der Buddhist Dharmasara können über ihren Glauben und ihre Religion reflektiert erzählen. Andere, wie Gloria, tun sich an vielen Stellen schwer damit.

Die Bewohnerinnen und Bewohner sollen nicht als Repräsentantinnen und Repräsentanten ihrer ganzen Religion gelten, das betont das ZDF. Aber es lässt sich nicht vermeiden, dass für die Zuschauerinnen und Zuschauer dieser Eindruck entsteht. So werden die Klischees, die eigentlich abgebaut werden sollen, doch eher verfestigt. Für die Katholikin Gloria ist laut Beschreibung des ZDF "das, was in der Bibel steht, die Wahrheit". Zwar setzt sie sich in Gesprächen immer wieder kritisch mit ihren Glaubensüberzeugungen auseinander, lehnt aber zum Beispiel die Möglichkeit der kirchlichen Ehe für homosexuelle Paare ab und hadert mit der Vorstellung, dass Gott den Menschen nicht nur als Mann und Frau geschaffen hat. Das sind Ansichten, mit denen sich die wenigsten jungen Christinnen und Christen in Deutschland identifizieren können dürften.

Es hätte dem Format gutgetan, nicht nur einen Vertreter oder eine Vertreterin einer Religion einzuladen. Und auch die fehlende Begleitung durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wird zum Problem. Viele Aussagen über die religiösen Vorstellungen bleiben für die Zuschauerinnen und Zuschauer, die sich mit Religionen nicht auskennen, unverständlich. So ist die Sendung doch eher Religions-Big-Brother: unterhaltsam und oberflächlich. Und eine verpasste Chance, um zu zeigen, wie vielfältig und divers Religion in unserer Welt wirklich ist.