Herr Schwarz mit seinem Fahrzeug an eine E-Zapfsäule
Hansjörg Schwarz mit seinem "Stromerle" beim Aufladen
Anne-Sophie Stolz
Auto: Diesel oder Elektro?
Zum Elektroauto bekehrt
Der langjährige Dieselfahrer schnurrt nun entspannt dahin. Das veränderte auch andere Routinen in seinem Leben - zum Besseren
Tim Wegner
18.09.2024
3Min

Hansjörg Schwarz (Jahrgang 1961):

Als ich ein kleiner Bub war, hatten meine Eltern gerade ein Haus gebaut. Wir waren vier Kinder, es gab nur ein Einkommen. Für teure Autos war erst mal kein Geld da. Unser erstes Auto war ein Käfer, später hatten wir einen Kadett. Vielleicht sind Autos deshalb für mich nie zum Statussymbol geworden, sondern nur ein Instrument, um von A nach B zu kommen.

Als die Mauer fiel, wurde ich versetzt in eine Bank­filiale in Sachsen. Wenn ich nach Hause in den Schwarzwald wollte, mietete ich mir einen Golf, bekam aber ­meis­tens was Größeres. Ich fuhr damals richtig schnell auf der ­Autobahn. Ein Freund erzählte mir von einem ­neuen Turbo­diesel. Ich dachte: ein Diesel? ­Wirtschaftswunder! Den kauf ich! Mit den beiden Kindern wurden die ­Autos größer. Aber ich blieb immer bei einem deutschen ­Hersteller. Der Dieselskandal erschütterte mich. Was für ein übler Betrug!

Mir war bis vor sieben Jahren nicht klar, dass es überhaupt etwas anderes geben könnte als einen Verbrenner. Dann fiel mir ein Prospekt eines französischen Herstellers in die Hände, der kleinere Elektroautos baute. Ich zeigte meiner Frau ein Foto, und sie sagte: "Der sieht klasse aus!"

Die Probefahrt überzeugte mich. Und so gehörte ich zu den ersten Autohaltern, die sich in Deutschland ein Elektro­auto geholt hatten. Unser Stromerle! Als wir ihn abholten, wartete ich, dass endlich die Zündung anspringt und das übliche "Brumm-Brumm" macht. Aber da war nix. Unsere Tochter lachte sich kaputt.

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Unser Stromerle hat so einige Routinen verändert. Weil wir zu Hause keine Wallbox haben, laden wir das Auto meis­tens auf dem Supermarktplatz oder bei unseren Stadt­werken auf. Einmal vollladen kostet etwas mehr als zehn ­Euro. Im Sommerhalbjahr kommen wir damit 300 Kilometer weit, im Winter sind es weniger, das gebe ich gern zu. Der Stromerle schafft trotzdem alle Alltagswege. Nur ein Prozent aller Fahrten in Deutschland sind länger als 100 Kilometer.

Ich habe gelernt, dass sich bei doppelter Geschwindigkeit der Stromverbrauch deutlich mehr als verdoppeln kann. Auf der Autobahn fahre ich nur noch selten mehr als 120 Stundenkilometer. Meistens fahre ich rechts, mit 110. Auf mehrspurigen Bundesstraßen fahre ich 80 und nicht 100. Und auf einer einspurigen Landstraße bin ich mit 90 unterwegs, damit ich kein rollendes Hindernis bin.

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Mich entschleunigt es, elektrisch zu fahren. Wenn ­hinter mir keiner kommt, fahre ich bewusst ruhig. Im Sommer mache ich das Fenster auf und genieße den ­Fahrtwind. Dann schleicht das Auto leise vor sich hin, man hört fast nichts.

Diese Entschleunigung hat sich auf andere Lebens­bereiche übertragen. Ich würde sagen: Elektrisch zu fahren, kann einen Bewusstseinswandel auslösen. Weil ich angefangen habe, mich noch mehr mit Umweltthemen zu beschäftigen, essen wir fast kein Fleisch mehr. Und als Jane Fonda erklärte, ihr roter Mantel sei das letzte Kleidungsstück, das sie sich gekauft habe, beschloss ich, mir auch erst mal keine neuen Jacken und Mäntel mehr zu besorgen.

Es gibt natürlich jede Menge Vorbehalte gegenüber Elektroautos. Zum Beispiel: Die Reichweite ist begrenzt! Aber auch bei einem Verbrenner wird der Tank mal leer. Und für die allermeisten Fahrten reicht die Reichweite aus. Zumal bei den neueren Modellen die Reichweiten ­gestiegen sind. Es dauert länger, zu laden als zu tanken! Das stimmt. Aber man kann die Zeit auch anders nutzen. Wir kaufen in Ruhe ein, mit sauberen Händen, die nicht nach Benzin stinken. Oder ich setze mich ins Auto, lese nebenher in einem Buch und beantworte Mails. Was ich noch höre: Elektroautos verschlingen teure Rohstoffe! Ja, aber in Verbrennermotoren sind viel mehr Teile verbaut, und die fallen auch nicht vom Himmel.

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Wir haben auch noch einen alten Verbrenner, den wir nur benutzen, wenn es gar nicht anders geht. Der steht fast nur rum. In den Urlaub sind wir schon mit dem TGV an die französische Atlantikküste gefahren. Zugegeben, wenn man mit viel Gepäck umsteigen muss, ist es weniger bequem als mit dem Auto.
Ich weiß, dass es für viele nicht oder noch nicht passt mit dem Elektroauto. Für uns passt es. Einen neuen Verbrenner würde ich mir niemals mehr kaufen.

Protokoll: Nils Husmann

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Sehr geehrte Damen und Herren!

Doch, genau sollte es sein!
Wer meint er müsse ein Verbrennerauto fahren, der sollte das auch tun!
Wer meint er müsse ein E-Fahrzeug fahren, der sollte das auch tun können!
Jeder sollte nach seiner Fasson selig werden, dazu braucht es, mein Gott, weder staatliche Vorgaben noch einen staatlichen Zwang!

Ihr Klaus P. Jaworek