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Ich hasse Trainingshosen. Diesen angeblichen Satz von Karl Lagerfeld „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“, den finde ich völlig richtig. Denn, genau, so, ist, ES!
Aber ich weiß natürlich, dass ich mit dieser Meinung heutzutage ziemlich alleine dastehe. In jedem Supermarkt im Tchibo-Regal oder auf dem Wühltisch gibt es sie, und zwar ständig und sie sind immer im Angebot: Homehose, Freizeithose oder Loungewear.
Das sind alles Euphemismen für dasselbe furchtbare Kleidungsstück, das man nur trägt, weil es gemütlich und einfach ist und einem erspart, sich Gedanken über die Kleiderwahl zumachen. Und außerdem drückt sie nicht am Bauch und bügeln muss man sie auch nicht. Aber an die Mitmenschen denkt niemand, der sowas trägt. Damit ist die Jogginghose sowas wie die AfD des Kleiderschranks: Sie verspricht einfache Lösungen, heimelige Gemütlichkeit, zeigt aber nur Verabscheuung anderen gegenüber und bringt Hässlichkeit in die Welt.
Und um jetzt die Brücke zur Väterkolumne zu schlagen: So dachte ich, aber das ist vorbei.
Und Sie ahnen es vielleicht schon, meine Kinder sehen das mit der Jogginghose ganz anders als ich: Sie lieben Jogginghosen über alles. Am besten in Kombination mit einem Fußballtrikot oder Kapuzenpullover. Gerne auch eine kurze Sporthose über eine Sportleggings oder im Sommer nur die kurze Sporthose und dazu dann Fußballsocken und Turnschuhe. Immer Turnschuhe.
Das Interessante ist jetzt: Wenn ich sie anschaue, dann merke ich wie dämlich meine eigene Abneigung gegenüber der Jogginghose ist. Denn natürlich finde ich nicht, dass meine Kinder die Kontrolle über ihr Leben verloren haben. Im Gegenteil, sie sind gerade erst dabei, sie voll und ganz zu gewinnen – und zwar in Jogginghose! – und ich liebe es, Ihnen dabei zu zusehen und sie dabei zu unterstützen. Und mit der AfD haben sie natürlich auch nichts zu tun. Die finden sie genauso doof wie ich.
Und es geht sogar noch weiter: An meinen Kindern, so verklärt ist der Vaterblick, finde ich die Trainingshosen ab und zu sogar ganz schön. Einmal habe ich mich sogar bei dem Gedanken ertappt, dass ich auch gerne eine angezogen hätte. Aber so weit ist es dann doch nicht gekommen.
Lesen Sie hier: Brauche ich für meine Selbstinszenierung die richtige Kleidung?
Diese einfache Erkenntnis, dass meine persönliche Abneigung gegen dieses Kleidungsstück nicht verallgemeinern sollte, die hätte mir – zugegebenermaßen – auch ohne meine Kinder kommen können. Und sie kam mir auch, aber ich habe sie nicht gelten lassen. Was mir recht leichtgefallen ist, denn fremde Menschen zu verurteilen (der hat doch sein Leben nicht mehr unter Kontrolle!) ist natürlich viel leichter als welche, die einem nahe stehen oder die man gar noch liebt.
Kinder sind für so vieles gut und also auch dafür: Die eignen Ansichten in Frage stellen zu lernen. Sich selbst zu hinterfragen. Das geht auch ohne Kinder, aber wenn man Kinder hat, die einem das lehren, dann geht es leichter.