Junge Frau die auf blauen Kisten balanciert und sie versucht anzuordnen. Symbolfoto
Klaus Vedfelt
Aufräumen
"Ordnung ist etwas sehr Subjektives"
Wenn Ordnungscoach Gunda Borgeest gerufen wird, geht es oft um mehr als einen zu vollen Kleiderschrank. Ein Gespräch übers Aufräumen und warum das der Seele gut tut
Tim Wegner
Aktualisiert am 13.09.2024
3Min

Was machen Sie, wenn Sie das erste Mal die Wohnung einer Klientin betreten?

Gunda Borgeest: Ich zieh meinen Mantel aus und setze mich erst mal hin. Ich schaue mein Gegenüber an und wir reden. Die Wohnung selbst, andere Zimmer, das geht mich alles erst mal nichts an.

Aber dann räumen Sie zusammen auf?

Zunächst möchte ich wissen, warum mich dieser Mensch gerufen hat. Das ist oft nicht nur eine Art "Unordnung" in der Wohnung, sondern auch in der Seele. Manchmal komme ich in eine Wohnung, in der seit Jahren niemand Fremdes mehr war. So etwas kann sehr schambesetzt sein. Ich taste mich vorsichtig heran.

Sie sind Literaturwissenschaftlerin und Sinologin und haben mit Doris Dörrie zusammen an der Münchner Filmhochschule unterrichtet. Wie kamen Sie auf die Idee, Ordnungscoach zu werden?

Eine gute Freundin von mir fand es bei mir zu Hause "so schön". Sie fragte mich, ob ich ihr in ihrer Wohnung helfen könne. Das haben wir ein Wochenende lang gemacht und mir wurde klar, wie gut mir diese Art von Arbeit gefällt.
Ich arbeite mit Menschen; ich kann die Welt ein kleines bisschen schöner machen – und uns das Leben ein wenig leichter. Meine Tochter hat geholfen, eine Website zu gestalten, und dann hat relativ schnell ein Journalist eine Reportage über mich gemacht. Das ging dann total durch die Decke. Ich war plötzlich auf Monate hinweg ausgebucht.

Was für Menschen buchen Sie?

Die unterschiedlichsten. Da ist die 28-jährige junge Frau, die sich seit Jahren nicht getraut hat, Gäste in ihre Wohnung einzuladen. Oder ein Ehemann, dessen Frau gestorben ist. Er ist immer noch im Schmerz versunken, doch er möchte gern ihren Kleiderschrank ausräumen. Ich berate auch Paare, die sich getrennt haben und den gemeinsamen Haushalt auflösen.

Lehnen Sie Aufträge ab?

Wenn zum Beispiel eine Frau anruft und mich bittet, ihren Ehemann zu coachen. Das mache ich nicht. Der Auftrag muss immer von der Person selbst kommen ...

Eine gute Freundin von mir müllt sich voll, so empfinde ich es jedenfalls. Wie kann ich mit ihr darüber reden?

Was heißt denn das: "vollmüllen"? Diesen Begriff schätze ich gar nicht. Wer bin ich, dass ich jemand anderem sage, 25 Teeservice sind zu viel? Fragen Sie Ihre Freundin: Wie fühlst du dich in deiner Wohnung? Leidet sie unter der Kakophonie der Dinge – oder fühlt sie sich wohl damit? Dann ist alles gut. Ordnung kann und will ich nicht verordnen. Das ist immer etwas ganz Subjektives.

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