Gestopptes Bauprojekt Eltbtower in Hamburg
Falsches Symbol am falschen Ort: "Kurzer Olaf", nennen die Menschen in Hamburg den gescheiterten Elbtower mittlerweile hämisch. Olaf Scholz hatte den Bürobau in seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister initiiert.
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Hochhäuser
"Symbol der Vergangenheit"
Überall in Deutschland werden Hochhäuser gebaut, auch zu Wohnzwecken. Oft entstehen dabei nur Luxuswohnungen, kritisiert Stadtforscher Dieter Läpple. Und er ärgert sich über Prestigeobjekte, wie den gestoppten Elbtower-Bau in Hamburg. Ein Scheitern mit Ansage
Tim Wegner
15.02.2024

Herr Läpple, wenn in deutschen Städten Platz für Wohnungen fehlt – warum bauen wir nicht einfach mehr Hochhäuser? 

Weil die Wohnungen viel zu teuer wären. Ab 60/65 m Höhe rechnen sich Hochhäuser in deutschen Städten in der Regel nicht mehr: Durch die vertikale Stapelung von Wohnungen spart man zwar Grundstückskosten, aber mit zunehmender Höhe des Gebäudes steigen Baukosten überproportional. Durch das steigende Gewicht und die Windlasten werden die Fundierungen immer aufwändiger, die Haustechnik wird komplizierter und dazu kommen viele Aufzüge und komplexe Brandschutzmaßnahmen. Sie brauchen Rettungswege und Expressaufzüge. Niemand will ewig warten, bis man aus dem 20 Stockwerk oder 30. Stockwerk nach unten kann. Die Flächeneffizienz sinkt proportionell mit jedem zusätzlichen Höhenmeter; um einen Quadratmeter Wohnung zu bauen müssen Sie immer mehr Geld in die Hand nehmen. Mit normalen Mieten lässt sich das nicht finanzieren.  

In New York entsteht ein Wohnturm nach dem anderen, mit immer neuen Superlativen. Wieso funktioniert es dort?

New York, oder richtiger Manhattan, ist ein Sonderfall. Leute kaufen sich aus Prestigegründen teure Wohnungen oder zahlen horrende Mieten, um eine Adresse am Central Park zu haben. Das ist ein völlig anderer Markt als in Deutschland. 

Und Frankfurt? 

Hochhäuser gehören zu Frankfurts „Corporate Identity“. Banken bauen in die Höhe und setzen damit ein Zeichen ihrer Macht oder ökonomischen Potenz. Und Wohnungen in Hochhäusern sind auch in Frankfurt extrem teuer. Das alles hat nichts mit dem Kampf gegen die Wohnungsnot zu tun. 

Sind Holzhochhäuser eine gute Alternative?

Sie haben auf jeden Fall eine bessere Ökobilanz und sie durchbrechen die Monokultur des Stahlbetons. Wichtig ist, dass die Holzbauelemente wiederverwendbar sind. Aber auch für Holzhochhäuser gilt: Höhen über 60 Meter sind unwirtschaftlich.

Wir leben beide in Hamburg. Dort wurde der Bau des Elbtowers gestoppt. Das Projekt gehört zum Imperium des österreichischen Immobilieninvestors René Benko und steht vor dem Scheitern. Sie haben von Anfang an vor diesem Projekt gewarnt.

Ich war entsetzt über diese Entscheidung des Senats. René Benko war bekannt für seine riskanten Geschäfte und seine fragwürdigen Finanzierungstricks. Zudem war von vornherein klar, dass ein 245 Meter hohes Bürogebäude in Hamburg ökonomisch unrealistisch ist. Nach Einschätzungen von Fachleuten bräuchte man doppelt so hohe Mieten, als die bisher am Ort üblichen, um dieses Gebäude finanzieren zu können. Dieses monofunktionale Projekt war von vorherein mit viel zu großen ökonomischen Risiken belastet, auf die sich nur ein spekulativer Investor wie Benko einlassen konnte. Die Quittung bekommen jetzt wahrscheinlich die Handwerksfirmen und Bauunternehmen, deren offene Rechnungen nicht bezahlt werden, und möglicherweise am Ende auch wir Steuerzahler. Sehr bitter. 

Mal unabhängig von René Benko und den ökonomischen Risiken – warum haben Sie den Elbtower noch abgelehnt? 

Dieter LäppleAndreas Hornoff

Dieter Läpple

Dieter Läpple, ist Professor em. für Internationale Stadtforschung an der HafenCity Universität Hamburg. Er leitete viele Jahre das Institut für Stadtökonomie an der TU Hamburg und lehrte und forschte als Dozent und Gastprofessor u.a. in Berlin, Amsterdam, Paris, Aix-en-Provence/Marseille und Leiden (NL). Er war u. a. Senior Fellow der Brookings Institution in Washington; Berater des "Urban Age"-Progamms der London School of Economics sowie Ko-Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Singapore-ETH Center: "Future Cities Laboratory" in Singapur. Bei der IBA Hamburg war er Mitglied des Kuratoriums. 2007 erhielt er den Baukulturpreis des BDA Hamburg. Aktuell ist er Mitinitiator der Petition zum Erhalt der Köhlbrandbrücke in Hamburg.

Der Elbtower soll ein Zeichen setzen. Aber mit welcher Botschaft? Der ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit der Hansestadt Hamburgs oder der Macht des internationalen Finanzkapitals? Wenn er zu Ende gebaut wird, überragt er die identitätsstiftende, historisch gewachsene Stadtsilhouette mit ihren Kirchtürmen und der Elbphilharmonie um über 100 Meter. Es ist meines Erachtens ein falsches Symbol an der falschen Stelle. Dieses Investorenprojekt entstand an dem sozial sensibelsten Ort der Stadt.  An dem Übergang der Hafencity zu den Einwandererquartieren der Elbinsel, wie Rothenburgsort oder der Veddel, wo jedes zweite Kind unter Armutsbedingungen aufwächst. Hier hätte ich mir ein architektonisch signifikantes Gebäude des sozialen Ausgleichs gewünscht. Zum Beispiel ein Community Learning Center mit einem vielfältigen Bildungs-, Lern- und Unterhaltungsangebot; statt einem Zeichen der Macht und der Spaltung, ein Zeichen der Versöhnung der Stadtgesellschaft.

Hochhausprojekte wie der Elbtower, oder auch gerade The Four in Frankfurt, werben in ihren Broschüren damit, dass sie nach ihrer Fertigstellung klimaneutral betrieben werden können?

Das ist Greenwashing der feinsten Art. Beim Elbtower, der ja verrückterweise im Elbschlick geplant wurde, mussten Gründungspfähle bis 70 m in die Tiefe gerammt werden. Allein für das Fundament wurden Unmengen an Beton und Stahl verbaut. Um einen Eindruck zu bekommen: beim Messeturm in Frankfurt, mit 256 m nur wenige Meter höher als der geplante Elbtower, wurden für die 6 m dicke Bodenplatte 80 000 Kubikmeter Beton und 200.000 Tonnen Stahl verbaut. Dies bedeutet eine riesige Emission von CO2. Der Elbtower ist auch ökologisch unverantwortlich.  

Wenn das alles so problematisch ist, warum entstehen so viele Hochhäuser? 

Das Leitmotiv für die sogenannten Wolkenkratzer finden wir bereits im Alten Testament: „Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, des Spitze bis an den Himmel reiche, dass wir uns einen Namen machen!“ (Genesis 11.4) Also das Narrativ des Turms zu Babel. Es steht bis heute für Wagemut und Grenzüberschreitung. Man kann es aber auch Hybris und Gigantomanie nennen. Die bauliche Höhe als Zeichen der Macht zieht sich durch die Geschichte bis heute. Schauen Sie nach Dubai oder Shanghai. Hochhäuser sind Machtdemonstrationen – politisch wie ökonomisch. 

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Gibt es auch positive Beispiele?

Im Rahmen meiner Arbeit war ich oft in Singapur.  Der Stadtstaat ist flächenmäßig kleiner als Hamburg, aber da leben mehr als doppelt so viele Menschen. Und man versucht, so wenig Fläche wie möglich zu versiegeln. Wenn dort Hochhäuser gebaut werden, entstehen vielfach vertikale Quartiere mit einer Mischung von Nutzungen und halb-öffentlichen Räumen in der Höhe: Da finden Sie Fitnessparcours und kleine Parks im 20. oder 30. Stockwerk. Für Europa sehe ich das nicht so. Hier bietet die traditionelle Blockrandbebauung mit Gebäudehöhen von 5 bis 7 Stockwerken immer noch die besten Voraussetzungen für dichte, funktionsgemischte Quartiere mit öffentlichen und halböffentlichen Räumen. Monofunktionale Hochhäuser aus Beton und Stahl, wie der Elbtower, sind heute dagegen wohl eher ein Symbol der Vergangenheit.

 

 

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Kolumne

Dorothea Heintze

Wohnen wollen wir alle. Bitte bezahlbar. Mit Familie, allein oder in größerer Gemeinschaft. Doch wo gibt es gute Beispiele, herausragende Architekturen, eine zukunftsorientierte Planung? Was muss sich baupolitisch ändern? Wohnlage-Autorin Dorothea Heintze lebt in einer Baugemeinschaft in Hamburg und weiß: Das eigene Wohnglück zu finden, ist gar nicht so einfach. Alle zwei Wochen.