urgewald
Kohle ohne Ende
Weltweit droht die Kapazität an Kohlekraftwerken um 25 Prozent zuzunehmen, warnt die Nichtregierungsorganisation urgewald.
Tim Wegner
30.10.2023

Think globally, act locally – diesen Spruch sah man in neunziger Jahren häufig auf Baumwolltaschen. Global denken, lokal handeln. Ich hatte auch so einen Stoffbeutel und trug ihn stolz spazieren. Stimmt ja auch: Man muss die globalen Probleme – besonders die Klimakrise – im Blick haben, kann diese Probleme aber natürlich nicht allein lösen. Aber vor Ort, für sich – da kann man vieles richtig machen.

Die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald hat in der vergangenen Woche gezeigt, dass der Gedanke an globale Entwicklungen ganz schön deprimierend sein kann. Gemeinsam mit 40 anderen Nichtregierungsorganisation hat urgewald die Global Coal Exit List vorgelegt, nach eigenen Angaben die weltweit umfassendste Datenbank zur Kohlebranche.

Zur Erinnerung: Wer Kohle verbrennt, trägt ganz erheblich zur menschgemachten Erderwärmung bei. Die Folgen spürten die Menschen in der vorigen Woche in Acapulco, Mexiko, in Form eines extrem starken Hurrikans. In Westeuropa, an der westfranzösischen Küste, drohen in dieser Woche Orkanböen, die man in Europa selten, vielleicht sogar noch nie gemessen hat. In Österreich und Norditalien kann es zu Überschwemmungen kommen. Es ist zu viel Energie in die Atmosphäre gelangt, weil der Hunger nach fossiler Energie viel zu groß war.

Aus deutscher Sicht könnte man meinen: Problem erkannt, Problem gelöst – wir steigen ja bis spätestens 2038 aus der Kohle aus. Und der EU-Emissionshandel dürfte dazu führen, dass Kohlekraftwerke überall in Europa schon in einigen Jahren unrentabel werden.

In anderen Weltregionen aber sieht es schlechter aus. Denn für die Global Coal Exit List hat urgewald die Aktivitäten von mehr als 1400 Unternehmen analysiert, die Teil des Kohlegeschäftes sind. Nur 71 davon haben sich ein Ausstiegsdatum gesetzt – 577 Unternehmen wollen dagegen noch mehr Kohle fördern und verbrennen. In 31 Ländern sind neue Kohleminen geplant. Besonders China und Indien setzen weiter auf die dreckige Energie. Global gesehen, droht die installierte Kapazität an Kohlekraftwerken noch einmal um 25 Prozent steigen. Für den Klimaschutz wäre das verheerend.

Wo bleibt die Hoffnung? Der Hebel für ein Umdenken liegt beim Geld. Denn es ist teuer, Kohle zu fördern und Kraftwerke zu bauen. Zeitgleich werden die Erneuerbaren immer günstiger. Auch in staatliche chinesische Energiekonzerne fließt Geld von 96 US-Investoren, hat urgewald recherchiert. Unter anderem ist BlackRock im Rennen, der ehemalige Arbeitgeber von CDU-Chef Friedrich Merz.

Ich weiß, man kommt sich schrecklich hilflos vor, aber ich bin dann doch wieder bei der Stofftasche aus den neunziger Jahren - Think globally, act locally. Ein kleiner Schritt gegen den Kohle-Boom ist es, das eigene Geld nachhaltig anzulegen, damit es nicht über Umwege Kohle aus China oder Indien finanziert.

 

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Kolumne

Nils Husman

"Wir müssen die Schöpfung bewahren!“ Da sind wir uns alle einig. Doch was heißt das konkret? Nils Husmann findet, wer die Schöpfung bewahren will, sollte wissen, was eine Kilowattstunde ist oder wie wir Strom aus Sonne und Wind speichern können – um nur zwei Beispiele zu nennen. Darüber schreibt er - und über Menschen und Ideen, die Hoffnung machen. Auch, aber nicht nur aus Kirchenkreisen.