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Ich mag Österreich. Nicht in jeder Beziehung, aber was Musik, Dialekte, Essen und Trinken anbelangt, ganz sicher. Wenn man wie ich an der Grenze zum Nachbarland, genauer gesagt, zu Tirol, aufgewachsen ist und dort immer wieder mal Urlaub macht, ist das kein Wunder.
Vor dem Nachhause-Fahren gehört für mich ein Einkaufsbummel einfach dazu, um uns mit Lebensmitteln einzudecken. Und sei es nur, um den Klang der geliebten Sprache mitzunehmen. Almdudler, Biskotten, Fisolen, Karfiol, Kren, Marillen, Obers, Paradeiser, Ribisl, Topfen, Weichseln … Das hilft gegen Heimweh.
Letztes Mal habe ich Senf mit Bertram gekauft. Den gibt es bei uns auch. Er heißt nur anders: Estragonsenf. Meine Tube „Senf Vital“, die ich in Tirol gekauft habe, die aber aus Salzburg kommt, enthält eine würzige Masse ohne Zucker und ohne weitere Zusatzstoffe. Jetzt ist sie zu meinem Verdruss leer. Ich könnte in einem Supermarkt Nachschub holen: Haufenweise gibt es dort französischen Estragonsenf in eleganten Gläsern – und den aus Österreich, der erstmals 1921 in Wien-Simmering von einer Traditionsbrauerei zubereitet wurde.
Eine hübsche Geschichte, die man auf der Internetseite der Firma nachlesen kann: Ein aus Böhmen stammender Ritter kauft um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Brauerei St. Marx in Wien. Ignaz Mautner Ritter von Markhof hat wie seine Nachkommen Freude am Erfinden. 40 Jahre nach dem Erwerb der Brauerei werden Essige hergestellt. Noch einmal 20 Jahre drauf und es gibt süßen Senf aus Krems, aus der Wachau, weil Weinbauern dem Feinkostunternehmen Most offeriert hatten. Und der scharf-würzige Estragonsenf wird kreiert, ohne den kein österreichischer Haushalt auskommt.
Ich auch nicht. Ich brauche meinen Senf Vital. Nur ist er gerade nicht lieferbar. Selbst ist das Ritterfräulein! Ich nehme 100 gr gelbe Senfkörner – sie sind milder als braune oder schwarze - und weiche sie zwei Tage lang ein. Dann lasse ich die Senfsaat abtropfen und zermatsche sie im Mörser. 50 ml trockener Weißwein und 50 ml Apfelessig werden mit zwei Teelöffel getrocknetem Estragon, 40 ml milden Honig oder Agavensirup, einem halben Teelöffel Kurkuma und Salz fest gemixt. Anschließend kommen die zerstoßenen Senfkörner dazu. Die Masse in ein sauberes, heiß ausgespültes Schraubglas füllen. Im Kühlschank durchziehen lassen.
Estragon mit seinen zarten Bitterstoffen ist appetitanregend und gut für die Verdauung. Tee aus Estragon löst Krämpfe. Er verhilft zu innerer Ruhe und trägt dazu bei, dass man besser schläft. Frischer Estragon duftet köstlich - zum Beispiel in der Sauce Bearnaise, die man zu Fleisch, Fisch oder Spargel reicht. Aber auch selbstgemachter Senf ist eine Delikatesse. Mit seinem Aroma passt er natürlich ebenfalls zu Fisch und Fleisch. Ich würze damit Saucen, Marinaden und Dressings. Tu Felix Austria. Manchmal streiche ich ihn einfach aufs Käsebrot. Felicitas ist dann mein zweiter Vorname.
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