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Vor ein paar Monaten habe ich an dieser Stelle an ein vergessenes Lied von Paul Gerhardt, des wichtigsten evangelischen Liederdichters, erinnert. Es trägt den Titel „Geduld ist euch vonnöten“. Unwiderlegbar erklärt es: „Geduld erhält das Leben, / Vermehrt der Jahre Zahl, / Vertreibt und dämpft darneben / Manch Angst und Herzensqual“.
Das zu singen, war Ende des 17. Jahrhunderts, als Gerhardt es schrieb, lebensnotwendig, aber keineswegs selbstverständlich. Deshalb endet die erste Strophe mit den Versen: „Geduld ist euch vonnöten: / Das sag ich noch einmal“. Da diese Tugend zu Beginn des 21. Jahrhundert nicht an Bedeutung verloren hat, schreibe ich es ebenfalls noch einmal: Geduld ist uns vonnöten.
Eigentlich lernt man es schon als kleines Kind. Zum Beispiel wenn man mit seinen Eltern ein Gemüsebeet anlegt. Die Mohrrüben wachsen nicht schneller, wenn man jeden Augenblick an ihnen zupft und zieht. Im Gegenteil, sie gehen dann ein. Man muss sie halt wachsen lassen. So ist es auch im eigenen Leben.
Die Sprache weiß es wieder einmal besser als man selbst. Vertrauen muss wachsen, ein Urteil muss man sich bilden (vorher sollte man es nicht fällen), eine Entscheidung muss reifen (sonst kann man sie nicht treffen). Dafür braucht es Zeit und die Fähigkeit, abzuwarten, auszuhalten, innezuhalten. Langmut ist das passende Wort dafür. Er ist dem Kurzmut vorzuziehen, den es aus guten Gründen in der deutschen Sprache nicht gibt. Langmut klingt für manche vielleicht altertümlich. Dann können sie es sich mit Toleranz übersetzen.
In der christlichen Tradition steht die Geduld in hohen Ehren. Sie gilt dem Galaterbrief als Frucht des Heiligen Geistes, und der Epheserbrief verbindet sie mit zwei anderen, schönen Formen des Mutes: Demut und Sanftmut. Alte Kirchenlieder reimen auf Geduld sinnigerweise Huld. Damit verbunden ist ein für manche Zeitgenossen eher überraschender Blick-Wechsel. Es geht in der christlichen Tradition nicht nur darum, dass wir in bestimmten Situationen mit anderen Menschen Geduld haben sollen. Es wird auch darum gebetet, dass Gott mit uns Geduld haben möge. Darauf wäre man selbst nicht ohne Weiteres gekommen, dass man von der Geduld lebt, die andere – Gott oder Mitmenschen – einem entgegenbringen.
Der hochbedeutsame, aber zu Recht nicht mehr gelesene Hamburger Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock hat im 18. Jahrhundert das literarische Bild eines ideal-geduldigen Dulders gezeichnet. Dabei konnte er noch nicht an den gegenwärtigen Bundeskanzler denken. Ob dieser nun als Dulder oder Zauderer zu gelten hat, mögen spätere Historikergenerationen unter sich ausmachen. Klopstock wollte den Blick auf Jesus Christus lenken, in dem die Geduld Gottes Mensch geworden ist.
Davon zeugt das Bild oben: ein kleiner, portugiesischer Azulejo. Manche mögen diese Kacheln der lusitanischen Kunsthandwerksfolklore kitschig finden. Ich nicht, denn ich weiß, wieviel Geduld es braucht, um sie herzustellen.