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Nach vielen Jahren war ich vergangene Woche wieder einmal in London und wie erschlagen von der Höflichkeit, die mir dort begegnete. Ich hatte mich doch gerade erst an die ruppige Berliner Art gewöhnt („Diese Preußen meinen das gar nicht so grob – die sind halt so!“), da war schon die Fahrt mit der Tube ein erfreulich verstörendes Erlebnis: Es wurde gebeten und entschuldigt, dass es einen Deutschen nur wundern konnte. Und dann erst die Reaktionen auf einen Vortrag, den ich halten durfte: Anders als hierzulande wurden nicht als erstes dumme Fehler, peinliche Versäumnisse oder überhaupt grundsätzliches Versagen benannt, sondern jubilierend Dank gesagt. „Magnificent“, „valuable“, „inspiring“ – so fingen die britischen und amerikanischen Diskutanten an, um dann nach einer Weile des Lobsingens hinzuzufügen: „You might consider though…“ Mir war schon klar gewesen, dass mein Beitrag von so mittlerer Qualität war und es für mich noch einiges nach Nacharbeit gab, aber es war doch eine ebenso schöne wie überraschende Erfahrung, dass man mir erst einmal mit warmer Höflichkeit begegnete. Daran will ich mir ein Beispiel nehmen, wenn ich nach diesem Sommer in meiner eher rüden Heimat die Arbeit wieder aufnehme. Ob ich dann öffentlich die Ernennung von Höflichkeitsbeauftragten der Evangelischen Kirche oder gar der Bundesrepublik fordern werde, will ich mir in den Ferien überlegen.
P.S.: Dass die britische Politik nicht eben ein Quellbrunnen der Höflichkeit ist, mag ein anderes Thema sein.
P.P.S.: Das Foto oben stammt aus der sehr erfreulichen und ein bisschen skurrilen Sommerausstellung der Royal Academy of Arts. Die „RA“ sollte man beim nächsten London-Besuch unbedingt besuchen. Sie ist auf das Wunderbarste umgebaut und erweitert worden.