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Mein Weg ins Gymnasium war weit. Räumlich gesehen. Ich musste zum Bahnhof laufen und mit dem Zug vom Dorf in die Stadt fahren. Dort stand wieder ein Fußmarsch an, um die Schule zu erreichen. Damals wurde man als Kind nicht jeden Meter chauffiert - meine Eltern hatten auch gar kein Auto. Insgesamt war ich drei Stunden am Tag unterwegs, um etwas zu lernen. Das war gesundheitlich gesehen bekömmlich und meist auch lustig. Jedenfalls im Zug, in dem sich viele Fahrschüler versammelten.
Auf das „bekömmlich“ muss ich allerdings zurückkommen. Das lässt sich nämlich hinterfragen. Ich hatte immer ausreichend Pausenbrot dabei und daheim wartete am Nachmittag ein gutes, warmes Essen auf mich. Aber angesichts der zurückzulegenden Wegstrecke überfiel mich gelegentlich in Richtung Heimat eine Heißhunger-Attacke. Rettung versprach eine Fleischsalatsemmel vom Metzger. Das war großartig, aber auf Grund von zu viel Fett und damit Kalorien nicht ganz so empfehlenswert.
Kürzlich habe ich in einem kleinen Hotel in Stuttgart übernachtet. Ich musste elend früh aufstehen, um den Zug zurück nach München zu bekommen. Aber ein Frühstück sollte angesichts der Tour zum Bahnhof und den üblichen Verspätungen der Bahn doch drin sein. Ich ging in das Restaurant. Und war entzückt. Ein für mich verlockendes Buffet mit allerlei Winzigkeiten, die einen nicht gleich mit Masse und Menge erschlagen.
Highlight war ein schlichter Teller mit einer Gurkenscheibe, auf der ein schmackhafter Linsensalat ruhte. Ein Klacks Ketchup, den ich nicht unbedingt gebraucht hätte. Und, hurra, so etwas wie Fleischsalat: Zarter Meerrettich-Frischkäse, sehr gut gewürzt mit klein gehackten Essiggürkchen, eingehüllt in mageren Schinken und wie die Scheibe einer Biskuitrolle geformt. Dazu eine knusprige Semmel, die ich natürlich reichlich mit Butter versah. Fett und Kalorien - wenn auch nicht ganz so viel wie früher.
Manchmal ist es außerdem ganz schnurz, ob etwas sinnvoll, gesund oder wirklich anzuraten ist. Manchmal ist es einfach nur schön, in Erinnerungen und Gefühlen zu schwelgen, sich jung und unbeschwert zu fühlen. Unbekümmert für einen Moment in Zeiten, die von realen Ängsten und Sorgen platzvoll sind. In denen einem auf der anderen Seite mit einer permanenten politischen Korrektheit auf den Leib gerückt wird, die einem die Luft zum Atmen und die Lust am Essen nimmt.
Tagaus tagein vernünftig, für Mitmenschen und Umwelt verantwortlich da zu sein, ist eine gute Sache. Ich bin dabei. Nur hin und wieder möchte ich kurz mal ausbüxen - sozusagen Schule schwänzen. Wie früher. Ganz selten nur.
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