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Mit 16 Jahren beschloß ich, Vegetarierin zu werden. Wie das in diesem Alter üblich ist, geschah es mit einer wilden Entschlossenheit, die kein „wenn und aber“ zuließ. Schließlich wollte ich die Welt retten! Gut, dass mein Mann diese Zeilen gerade (noch) nicht liest. Vermutlich würde er seine Wahrnehmung meiner Person und der ihr innewohnenden Kompromisslosigkeit in das Kompliment packen, dass ich nach wie vor unfassbar jugendlich bin ...
Ich aß also aus Tierschutz- und ökologischen Gründen kein Fleisch und keine Wurst mehr. Zuhause war das einfach, weil meine Mutter diese Haltung verstand und in gesundheitlicher Hinsicht gerne respektierte.
Mein Vater konnte sie nicht nachvollziehen, hat aber seiner Tochter auch diese weltanschauliche Positionierung nachgesehen und sich im eigenen Interesse keine zusätzliche Grundsatzdiskussion ans Bein gebunden.
Schwierig wurde es, wenn ich mit meinen Eltern oder Freunden zum Essen ging. Vegetarisch – diese Rubrik gab es auf der Karte nicht. Mama bestellte vornehm Fisch, der Papa Wiener Schnitzel. Meine Freunde futterten Riesenportionen von Cevapcici mit Pommes, Djuvecreis und Balkangemüse. Noch beliebter war das, pardon, Zigeunerschnitzel oder der entsprechende Spieß. Inzwischen habe ich natürlich längst verstanden, dass der historische Kontext es verbietet, so zu reden.
Früher: Schinkennudeln oder eine Gemüseplatte mit glibbrigem Spiegelei und Speck
Roma und Sinti erwarten zu Recht, dass Diskriminierung und Ausgrenzung nicht über dumme oder absichtsvolle, ganz bewusst bösartige Klischees weitertransportiert werden. Wir waren, das darf ich aber für uns Jugendliche in Anspruch nehmen, bei dem Namen der Speisen ohne Arg und echt voller Begeisterung. Bis zu meiner esstechnischen Bekehrung mochte ich die Hackfleischwürstchen und Schnitzel übrigens auch. Allerdings hatten es mir immer schon die Beilagen mehr angetan.
Der Blick der Bedienungen bei meiner selbstbewussten Bestellung „vegetarisch bitte“ war eher übellaunig. Vermutlich dachten sie „Zicke“ oder „hoaklig“ (heikel), bestenfalls „g´schleckert“. Was dann kam, war wenig erbaulich. Gemeinhin knallte man mir einen großen Teller Schinkennudeln hin. Ist ja kein Fleisch. Oder die berühmte Gemüseplatte mit glibbrigem Spiegelei und Speck. Auch kein Fleisch. Als ich dazu überging, nur Beilagen zu bestellen, schwamm alles in Bratensauce.
Heute: Grüne Schupfnudeln mit Rahmsauerkraut, Kartoffelchips und Paprikasauce
Was ist das heute für ein Leben dagegen! In meinem Lieblingshotel in Tirol zaubert der Küchenchef neben klassischen Gerichten herrliche vegetarische Speisen. Grüne Schupfnudeln mit Rahmsauerkraut, Kartoffelchips und Paprikasauce, dazu ein Hauch saure Sahne. Bio und bekömmlich, regional und global verantwortlich. Bodenständig und zugleich himmlisch. It´s only veggie, but I like it, like it. Yes I do! Entschuldigung. Die Stones waren gerade in München. Die mag ich grad so gerne wie Gemüse.
Vom Blog zum Buch:
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