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Wer angefressen ist, ist schlecht drauf. Das gilt für Aluminium, Gemälde, Kabel, Papier, Tapeten und Menschen. Ursache für den unerquicklichen Zustand sind je nachdem Salz und Säure, Papierfischchen, Eichhörnchen, Hasen, Marder und andere Menschen. Oder ganz einfach die Welt im Allgemeinen. Angefressen sein fühlt sich im Prinzip nicht schön an, auch wenn es, zumal bei menschlichen Wesen, gelegentlich ein notwendiges Durchgangsstadium zu besserer Laune ist.
„Haben wir Mäuse im Haus?“, fragte der mir Angetraute neulich. Misstrauisch beäugte er ein Stückchen Käse, das eindeutige Knabberspuren aufwies. Die etwas andere Art des Angefressenseins. Vom Balkon kennt man das ja: Basilikum, Hibiskus und Rosenblätter - Objekte der Begierde von allerlei munterem kleinen Getier. Aber im Kühlschrank? Unwahrscheinlich. Ich überlege, ob ich die Mäusegeschichte ein wenig ausschmücken sollte. Phantasie dazu hätte ich genug.
Und wenn du keine Gabel hast, dann isst du mit den Fingern
Aber ich kann nicht schwindeln. Kein bisschen. Deshalb sage ich schlicht und ergreifend die Wahrheit: Ich selber war die Maus, die sich am Bärlauchkäse zu schaffen gemacht hat. Voller Vergnügen habe ich daran geknuspert, an diesem herrlich frischen, feinen buttrigen Käse mit dem würzigen Kraut aus der Lauchfamilie. Ich weiß: Das tut man nicht, etwas direkt in die Hand nehmen und abbeißen. Es ist unfein. Man nimmt natürlich Teller und Besteck dafür.
Aber es gibt Situationen im Leben, besonders die, in denen man ziemlich angefressen ist, da hilft nur ein Hauch von Anarchie. Oder wenigstens die Lust, gutes Benehmen und geschliffene Manieren kurzfristig beiseite zu lassen. Das gibt einem das Gefühl von unbändiger Freiheit, von einem wilden Dschungel-Jane-Gefühl. Einfach am Käse nagen, Salatblätter mit den Fingern schnappen und in das Dressing tunken, mit zerrupftem Brot die Sauce auftupfen, den Finger ablecken …
Es ist schon so: Angefressen sein fühlt sich wirklich nicht schön an. Aber es gibt eben auch einfache lukullische Möglichkeiten, die miese Stimmung zu vertreiben. Am besten ist, man gibt der unvermittelten Sinnlichkeit im Leben neuen Raum. So, dass man sich selber wieder richtig spürt, dass man riecht, schmeckt, fühlt … und zu sich kommt. Klar geht das auch mit Besteck und Geschirr, am Esstisch und im Sitzen. Aber wenn mal niemand schaut, kann man ja ruhig Mäuschen spielen …
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