chrismon: Herr Rostuhar, Sie waren in der Kalahariwüste unterwegs und im Amazonas, in Japan und Deutschland, in Großstädten und Dörfern. Wie haben Sie all diese Liebenden gefunden?
Davor Rostuhar: Das war unser Hauptjob – die Geschichten finden. Wir waren 18 Monate lang mit dem Projekt beschäftigt. Erst sechs Monate Vorbereitung, dann ein Jahr reisen. Auch während der Reisemonate fiel die meiste Zeit auf die Recherche.
Wie kann ich mir das vorstellen? Haben Sie sich auf den Marktplatz gestellt und fremde Menschen angesprochen?
Wo es möglich war, haben wir zum Beispiel über die sozialen Medien Gruppen gesucht und angefragt. Wir haben in vielen Ländern mit "Fixern" zusammengearbeitet, mit Leuten, die dort leben, eine Vorrecherche machen und in den Interviews übersetzen.
War es schwierig, Menschen davon zu überzeugen, über etwas so Privates wie ihr Liebesleben zu sprechen?
Wir haben uns ja nur mit denen getroffen, die wussten, was wir wollen. Die Welt ist mittlerweile sehr globalisiert. Allen ist klar, was ein Buch ist, ein Film, auch Liebesgeschichten kennt irgendwie jeder. Nach den ersten Wochen haben wir kleine Filme, zwei, drei Minuten lang, angefertigt und konnten sie zu Beginn unserer Gespräche zeigen. So haben alle gleich gesehen, worauf sie sich einlassen.
Wo waren die Interviews einfach, wo schwieriger?
Ehrlich gesagt, es war viel einfacher, je weiter die Kultur von uns weg war …
Davor Rostuhar
Wie das?
Westliche Kulturen, also auch meine hier in Kroatien, sind oft wahnsinnig kompliziert. Wenn wir da jemanden fragen: "Wie fühlst du dich gerade?", reden die Leute fünf Minuten lang, aber eine wirkliche Antwort bekommen wir nicht. Die Leute auf den Salomoninseln sagen einfach: "Ich bin glücklich." Und Punkt.
Was hat Sie ausgerechnet auf die Salomoninseln gezogen?
Das war ein Traum von mir. Ich hatte schon für frühere Expeditionen in Papua-Neuguinea recherchiert und wusste, dass auf den Salomoninseln noch einige wenige Völker leben, die bewusst sehr zurückgezogen und im Einklang mit der Natur leben.
Wie lange waren Sie dort?
Fast zehn Tage. Es war eine unglaubliche Zeit. Wir wurden sehr herzlich aufgenommen, man hat uns kostenlos verpflegt, sie wollten kein Geld für die Schätze der Natur haben. Doch als wir dann endlich ihr Vertrauen gewonnen hatten und filmen wollten, mussten wir zahlen: "Unsere Kultur ist das Kostbarste, das wir haben", sagten sie uns, "und wenn wir davon erzählen, kostet es Geld." Ich fand das großartig.
In welchen Ländern haben Sie angefangen?
Frankreich, dann der Oman, dann Saudi-Arabien, dann der Iran.
Einige Porträts und O-Töne wirken befremdlich. Ich denke an das Paar aus dem Volk der !Kung in der Kalahariwüste in Namibia: !iu hat !ao erobert, indem er ihr einen Liebespfeil in den Po schießt. Das hört sich nicht unbedingt nach einem respektvollen Umgang der Geschlechter miteinander an ...
Diese Frage trifft den Kern unserer Haltung in den Interviews. Wir erzählen, wir urteilen nicht. Wir trafen Paare, die zeigten sich nackt. In Saudi-Arabien trugen die Frauen den Vollschleier. Bei einem anderen Paar erzählte die Frau, dass ihr Mann sie schlägt. Wieder ein anderes Paar in der Mongolei startete die Ehe mit einer - von der Frau nicht gewollten - Entführung. Wir in den westlichen Industrieländern sind oft überheblich und legen unsere Maßstäbe an. Andere Kulturen haben andere Maßstäbe.
Ihre Frau Anđela und Sie haben das Projekt gemeinsam recherchiert und geschrieben. Doch auf dem Buch stehen Sie allein als Autor. Wieso?
Bevor Anđela und ich ein Paar wurden und geheiratet haben, war sie meine Assistentin. Wir haben also schon länger zusammengearbeitet. Während der Reise haben wir uns die Aufgaben geteilt. Ich habe fotografiert und gefilmt; sie hat die meisten Interviews geführt. Anđela wollte beim Buch nicht namentlich auftauchen; ich habe ja auch die ganzen Begleittexte geschrieben. Beim Film tauchen wir beide auf, doch in Summe ist sie die Ansprechpartnerin.
Haben Sie ein Lieblingspaar?
Pooja und Krishna aus Indien. Wir haben einen Monat recherchiert, um die beiden zu finden. Krishna kommt aus der höchsten indischen Kaste, er ist Brahmane; Pooja aus der niedrigsten Kaste der Dalits. Eine Milliarde Menschen leben in Indien, aber nur sehr wenige aus der höchsten und niedersten Kaste heiraten. Wenn es Ehen außerhalb der Kasten gibt, dann vielleicht von einer Kaste in die nächstniedrigere. Was die beiden durchgekämpft haben, um zusammen zu sein, ist unfassbar. Mich hat das emotional sehr berührt.
Und Ihre Frau?
Wir haben öfter darüber geredet und so weiß ich: Für sie waren das Don und Sara aus den USA. Sie haben nach 20 Jahren im Kampf gegen die Leukämie ihren Sohn verloren. Don ist fremdgegangen, sie standen oft vor der Trennung. Wir haben einige Tage mit ihnen zusammengelebt. Es gibt Geschichten, die sind einfach zu schön, um wahr zu sein, eher aus einem Film oder aus einem Märchen. Doch Don und Saras Geschichte ist kein Märchen, sie ist real. Die beiden sind kein perfektes Paar. Sie sind ein Vorbild, auch für uns.
Das Buch "Love around the World - Liebesgeschichten aus aller Welt" hat 400 Seiten, 173 Fotografien und kostet 25 Euro. Es ist im Münchener Riva-Verlag erschienen. Die englisch-sprachige DVD und Buch können direkt über die Webseite bestellt werden.
Lesen Sie hier die weiteren Folgen aus unserer Serie "Liebe weltweit"