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Dieses Bild ist nix für Menschen mit Platzangst. Als hätten sich die sechs in eine Schnellfotobox gequetscht. Eine Szene, die auf wenig Raum sehr viel erzählen will – und noch mehr Geheimnisse hat. Unerhört, wie Renaissancemaler Andrea Mantegna aus Padua in seiner "Darbringung Christi im Tempel" gleich mit mehreren Bildtraditionen bricht. Heilige, nur halb gemalt, an der Hüfte abgeschnitten – ist dem Mann zu helfen?! Außerdem: Ihre Gesichtszüge nicht selig entrückt, sondern ganz menschlich – Sorgenfalten und Weltenpein inklusive. Und Maria Wange an Wange mit ihrem Jesusbaby. So nah war noch nie! Das alles ist sehr ungewöhnlich für ein Bild aus dem 15. Jahrhundert. Aber es macht Mantegnas Werk für heutige Betrachter umso interessanter.
Hinzu kommt, dass die biblische Geschichte hier wenig klärt und viel Platz zum Deuten lässt (wie praktisch alle Geschichten aus der Bibel). Die erste Frage ist, warum Maria und Josef (der skeptisch dreinblickende Mann hinten in der Mitte) mit Jesus überhaupt in den Tempel gehen. Will Maria sich nach der Geburt rituell waschen? Soll Jesus beschnitten werden? Was zählt, ist, dass der lang- und weißbärtige Prophet Simeon nur die Füße des Kindes zu berühren braucht, um zu wissen, dass er es mit einem religiös hochbegabten Wesen zu tun hat. Die Barthaare des Propheten zittern förmlich vor Erstaunen.
Das Jesulein allerdings heult schon auf im Wissen um sein späteres Schicksal. Wie praktisch, dass der Maler es gleich wie in ein Leichentuch gewickelt hat. Maria will ihr Kind, so scheint es, ganz fest an sich schmiegen. Aber sein Los wird sie ihm auch nicht nehmen können. Eine eindringliche Szene, deren Intensität durch die Enge des Marmorrahmens (eine Anspielung auf den steinernen Sarg des Heilands) noch gesteigert wird.
Das Kissen, auf dem das Baby steht, sowie der Ellbogen Marias ragen in bester Trompe-l’œil-Manier über den Rahmen hinaus – als gehörten sie zum Diesseits der Außenstehenden vor dem Bild und wollten sie so in die Szene hineinziehen. Hier kommt viel zusammen, doch damit nicht genug. Wer sind links hinten die junge Frau und rechts hinten der ins Ferne blickende junge Mann? Vermutlich handelt es sich um den Künstler selbst und seine Frau Nicolosia. Das würde jedenfalls bei der Datierung helfen. Die beiden heirateten 1453, und das Bild könnte ein Hochzeitsgeschenk des Malers aus dem Jahr 1454 sein.
Ein bisschen vermessene Hoffnung schwingt in ihren Porträts wohl auch mit: Wird unser erstes Kind auch ein Jesus? Ob Andrea und Nicolosia es nach der Geburt in einen Tempel getragen haben, ist nicht überliefert. Auch nicht, wie der Künstler auf die geniale Idee mit dem engen Rahmen kam. Vielleicht war’s ganz banal: So passte sein Bild zu Hause besser über das Sofa im Wohnzimmer.