"Glücklich ist, wer vergisst." Ich kaufe Barbara* die Postkarte mit diesem Satz, weil manchmal, da machen wir Witze darüber, dass sie so viel vergisst. Und ich mich an nutzlose Kleinigkeiten erinnere, wie ob die Sonne schien an diesem oder jenem Tag.
Eigentlich suchen wir in der Papeterie zusammen nach einem Geburtstagsgeschenk.
"Du nimmst mich wieder hoch", sagt Barbara.
"Nein. Ich glaube, vergessen macht glücklicher", sage ich.
"Ich versuche, im Moment zu leben."
"Eben."
"Denkst du immer noch so oft daran?"
"Ja. Und du?"
"Eigentlich nie. Ich fühle mich nicht als Opfer", sagt Barbara, das Opfer.
Heute stehen wir mitten im Leben, sie hat geheiratet, wir ziehen Kinder groß, lieben unsere Jobs. Damals als Teenager lernten wir uns in einem Schweizer Gymnasium zwischen Automatenkaffee und der schrillen Pausenglocke kennen. Ich versteckte, so gut es ging, meine Zahnspange, nahm meinen Mut zusammen und sprach sie an. Schon seit einigen Wochen beobachtete ich sie, die wilde Locken trug und die richtigen Sneakers, die ihre Zigaretten selbst drehte und sich auf dem Schulhof über den Klassenkampf ausließ.
Liebes Tagebuch, ich möchte unbedingt ihre Freundin werden, schrieb ich. Ich spürte: Mit dieser Frau könnte ich die Welt erobern, ohne dass mir je was zustoßen würde. Das Tagebuch habe ich noch; es liegt in einer Kiste im Keller, quillt über von eingeklebten Fotos.
"Du hast eine coole Lederjacke."
"Und du schöne Haare."
"Trinken wir was zusammen?"
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