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Unauffällig schaue ich zu meinem Mann neben mir. Merkt er was? Munter unterhält er sich mit unseren Gastgebern, ist geistreich und witzig, mümmelt dabei - natürlich in den Gesprächspausen - unverdrossen seinen Kuchen. Meine nonverbale Kontaktaufnahme verpasst er. Gerne hätte ich mich mit ihm dezent verständigt. Ich nehme nochmal ein vorsichtiges Gäbelchen von meinem Stück. Nein, das kann ich nicht essen. Der Obstkuchen ist „hinüber“.
Eine der seltenen, aber unerquicklichen Situationen bei Einladungen: Mir schmeckt nicht, was ich serviert bekomme - oder, schlimmer, das Essen ist verdorben. Ersteres passiert wirklich kaum, denn die meisten Leute fragen wie ich auch die Gäste vorher nach Allergien, Unverträglichkeiten oder Abneigungen. Ich selbst mag kein Fleisch und keinen Blauschimmelkäse. Freunde von mir essen entweder keine Zwiebeln oder keine Kapern, keinen Koriander oder keinen Fisch. Alles schon gehabt. Alles kein Problem.
Fataler Zirkus im Magen-Darmbereich
Schwierig wird es, wenn die aus guten Gründen ungeliebten Lebensmittel bereits auf dem Tisch stehen. Wenn der ausgeschenkte Wein korkt, der Käse einen winzigen Schimmelrand hat, die Butter ranzig ist und die Beeren auf dem Biskuitteig einen herzhaften Acetongeschmack verbreiten. Was tun? Die einen essen unbekümmert und man selbst kommt womöglich wieder mal als Nöltante rüber. Hat an allem was zu meckern. Findet auch noch das kleinste Haar in der Suppe. Es hilft nichts.
Ich weiß, was es für Folgen hat, wenn ich aus Höflichkeit das Zeug in mich hineinstopfe. Es gäbe ziemlichen Zirkus in meinen Innereien. Er würde mit Veranstaltungen enden, von denen niemand Näheres wissen möchte. Also, ein Herz gefasst und: „Es tut mir Leid. Ich möchte den Kuchen nicht essen, ich glaube, er ist nicht mehr gut.“ „Echt?“, sagen die Gastgeber. „Wir haben nix gemerkt. Aber klar. Lass ruhig.“ Geschafft. Mal sehen, wie es meinem Mann morgen geht. Ich bin jedenfalls in der Lage, mich um ihn zu kümmern.
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