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Alle Welt schaut auf Weihnachten, einige mit Vorfreude, viele mit Bangen. Darüber ist viel zu lesen. Deshalb möchte ich die Aufmerksamkeit auf den 18. Dezember lenken. Denn dies ist ein historischer Tag, auch wenn die wenigsten es wissen. An diesem Tag vor 500 Jahren fing Luther an, die Bibel zu übersetzen.
Diese Information verdanke ich dem Leiter des Lutherhauses in Eisenach, Jochen Birkenmeier. Ich wusste nur, dass das fertige neue Testament, das „Septembertestament“, eben im September des folgenden Jahres, also 1522, veröffentlicht wurde. Genauso wichtig aber ist der Moment, als Luther die Arbeit aufgenommen hat.
Zu seiner eigenen Sicherheit hatte man ihn auf die Wartburg gebracht. Dort oben, im „Reich der Vögel“, wie er einmal sagte, machte er sich ans Werk, weniger aus eigenem Antrieb als wegen der inständigen Bitten seiner Freunde. In einem Brief vom 18. Dezember an Wenzeslaus Link in Nürnberg erklärte Luther, dass er gerade angefangen habe. Innerhalb von 73 Arbeitstagen, so hat Birkenmeier nachgerechnet, war er fertig.
Mich hat diese reformationsgeschichtliche Notiz berührt und ins Nachdenken gebracht. Wir sind so eingestellt, dass wir immer auf Ergebnisse aus sind: Wann ist das Produkt fertig, wie ist geworden, wie verkauft es sich, ist es ein Erfolg, was sagt die Öffentlichkeit dazu? Doch mindestens so wichtig – nein, wichtiger ist dieser Moment weit vorher, im Verborgenen, in der intimen Stille eines vertrauten Gesprächs und dann eines einsamen Entschlusses, wenn ein Mensch tatsächlich etwas neu anfängt. Wer je ein Buch geschrieben hat – oder etwas Vergleichbares unternommen hat – weiß, was für ein kostbarer Moment dies ist: anzufangen. So bewegt ist man, voller Hoffnung und Angst, Anspruch und Selbstzweifel, lustvoll und überfordert – die Welt weiß nichts davon und das Blatt Papier noch weiß. Am besten man redet nicht zu anderen davon. So hat sich Luther schließlich ein Herz gefasst und an seinen Schreibtisch setzt – bzw. an sein Schreibpult gestellt (da sind sich die Experten nicht einig) – und dies in luftiger Höhe, in einer winterkalten Burg, eine Woche vor Heiligabend, in akuter Lebensgefahr.
Man stelle sich nur einmal vor, was für ein Weihnachten das wäre – ohne sein „Es begab sich aber zu der zeit / daß ein gebot von dem kaiser Augusto ausging / daß alle welt geschätzet würde ...“
P.S.: Zu diesem Jubiläum habe ich mit wunderbaren Partnern eine Flugschrift/ein Plakat entwickelt, das die Bedeutung von Luthers Bibelübersetzung für Schulklassen und Konfirmandengruppen ins Bild setzt: Wen’s interessiert, bitte hier klicken.
P.P.S.: Der Kulturbeutel macht jetzt eine Weihnachtspause, der Reißverschluss wird zugezogen und erst im Neuen Jahr wieder aufgemacht. Frohe Weihnachten allerseits und ein gesegnetes Neues Jahr!