"Da oben hört mich jemand"
Eine Gospelwelle rollt durch Deutschland. Der ekstatischen Musik der Afroamerikaner trauen manche zu, die Gottesdienste attraktiver zu machen für ein junges, erlebnishungriges Publikum. Aber passt Gospel überhaupt zu uns?
07.10.2010

Ma-mi-ma-ma, ma-mu-ma!" Der Gesang schallt bis auf die Straße. In dunklem Moll, mit der Betonung auf dem "mi" und "mu", fast ein bisschen bedrohlich. Im Gemeindesaal der St.-Sebastians-Kirche in Bonn ölen 70 Menschen mit solcher Lautmalerei ihre Stimmen. Die meisten stampfen dabei rhythmisch mit den Füßen auf oder bewegen sich wie in Trance. Eine bizarre Szene.

Mittwochabend, der Bonner Gospelchor "Wave of Joy" beginnt seine Probenarbeit. Vorne rechts steht auf einem erhöhten Sockel die Holzstatue des Märtyrers Sebastian, der sich pfeildurchbohrt unter Schmerzen windet. Der schlanken Frau im weißen T-Shirt, die vor ihm steht, geht es deutlich besser. Sie klatscht in die Hände und feuert die 70 Sängerinnen und Sänger mit lauten Rufen an. Und die scheinen regelrecht unter Strom zu stehen, so rasch parieren sie: I'm gonna wait on the Lord, I'm gonna wait on the Lord, I'm gonna wait on the Lord, 'til he come ­ dienen wollen sie dem Herrn, mit all ihrer Kraft. Binnen Sekunden hebt das erste Stück dieser Probe ab wie ein Düsenjet.

Christina steht in der ersten Reihe, wiegt sich im Takt, die Augen geschlossen. Sie muss nicht mehr auf die kleinen weißen Textzettel schauen, sondern singt längst auswendig: I'm gonna wait on the Lord. I know He's coming soon, maybe morning, night or noon. I'm gonna wait on the Lord, 'til he come, 'til he come . . . Immer wieder kommt der Refrain, immer leiser schließlich, noch leiser ­ die kraftvolle Botschaft vom Kommen des Herrn verklingt, und Christina Schreinemacher, 17 Jahre, singt konzentriert und gelöst zugleich, selbstvergessen und doch den Blick nach innen gerichtet. Wer sagt, dass beten eine stille, ernste Angelegenheit sein muss?

Kraftvolle Rhythmen, leuchtende Melodien ­ vor vier Jahren kam die junge Frau zum ersten Mal in Berührung mit "Black Contemporary Gospel", zu Deutsch "schwarzer zeitgenössischer Gospel", jenen donnernden Hymnen, die heute in den schwarzen Gemeinden Nordamerikas gesungen werden. Ein Gospel-Workshop mit Angelika Rehaag, der Chorleiterin im weißen T-Shirt, führte sie mitten hinein in die Faszination dieser Musik. Damals ließ sich Christina auf die Warteliste für Rehaags Chor setzen, und seit gut einem Jahr ist sie endlich drin in dem begehrten Ensemble. Sie, die sich ansonsten für Physik interessiert, die zielstrebig und für ihr Alter recht abgeklärt wirkt, lässt sich immer wieder davon tragen, von der musikalischen Freudenwelle.

I've got it ­ der Chor probt schon das nächste Stück. Aber Angelika Rehaag ist mit dem ekstatischen Schlussruf noch nicht zufrieden. "Los", spornt sie die Sänger an, ihre Augen blitzen kampfeslustig: "Das ist mir noch zu nett, zu deutsch-akademisch. Ihr müsst mir den Ton vor die Füße kotzen!"

Die Vögel singen

Die Vögel singen, in Ruhe und Frieden liegt Hamburg-Horn und mittendrin das Rauhe Haus, die berühmte evangelische Ausbildungsstätte für Diakone, gegründet im 19. Jahrhundert. Zur Probe im lichten Wichernsaal unter einem Ölgemälde des Namenspatrons Johann Hinrich Wichern trifft sich der Chor des Rauhen Hauses. Die Chorleiterin, Kantorin Gisela Thobaben, arbeitet beim Einsingen an der Aussprache der Konsonanten. Möglichst trocken und präzise, bitte: "p-t-k, p-t-k", dann geht es vorsichtig auf Klang: "susi-susi-susi-susi." Die Kantorin nickt zufrieden: "Ja, so kriegt das 'i' einen ganz tollen Klang." Leicht, locker, flockig, luftig ­ das braucht es für das Stück "An hellen Tagen", ein Madrigal aus dem 16. Jahrhundert.

Es dauert ein bisschen, bis das Stück reif ist für eine Aufführung auf dem nächsten Fest und Kantorin Thobaben zufrieden. "Gut. Jetzt wollen wir etwas Neues versuchen und endlich mal ein Gospelstück singen. Das haben sich ja auch einige von Ihnen immer wieder gewünscht." In der ersten Reihe hebt Dagmar Held den Kopf: "Wer war das?", fragt die resolute 60-Jährige skeptisch. "Muss denn das sein?"

Wenig später lehnt sich die Sängerin genussvoll zurück. Day is dying in the West, Angels watching over me, my Lord. "Wer davon nicht gerührt ist, dem ist auch nicht zu helfen", wird sie später erklären. Weiche Harmonien haben Herz und Ohren umschmeichelt. Andererseits: "Bei aller Liebe, mein Ding ist das nicht so: Gospel, neues geistliches Lied ­ nein danke!" Dagmar Held verzieht das Gesicht. Schließlich geht es ja nicht nur ums Wohlfühlen beim Singen, sondern auch um so etwas wie Tiefe. Wie sollte dieser rhythmische Singsang jemals einen Choral des großen Paul Gerhardt übertreffen? Wo bleibt das Geistliche in den amerikanischen Kirchenhits?

Auch Kantorin Thobaben ist nicht ganz zufrieden. So richtig relaxt bringen ihre Sänger den Swing noch nicht rüber. Die vertrackten Rhythmen machen ihnen zu schaffen: Mal setzen sie zu früh ein, mal zu spät. Doch mit der Zeit wird es besser. "Oh ja, gar nicht so schlecht, schon ein richtiger Badewannen-Wohlfühl-Klang!", resümiert die Chorleiterin. Sie nickt aufmunternd und sammelt die Noten wieder ein: "Schön, das war doch mal was anderes."

Es ist eben so eine Sache mit dem Gospel

Es ist eben so eine Sache mit dem Gospel. Keine Frage, diese Musik liegt im Trend. Die klassische Kirchenmusik von Bach, Gerhardt & Co. scheint vor dem Ansturm der Gospelwelle zurückzuweichen. Viele Menschen, längst nicht nur die jungen, fühlen sich von den Songs aus den schwarzen Kirchen der USA angesprochen: Energie und Rhythmus dieser Musik begeistern viele mehr als die alte, ernste Kirchenmusik. Ausführende wie Zuhörer sind heute zu Hause in der populären Eventkultur. Sie möchten auch in der Kirche emotional etwas erleben. Und in Englisch, aus Jahrzehnten des Popkonsums vertraut, mag auch mancher Distanzierte das fröhlich mitsingen, was ihm in seiner Muttersprache frömmelnd oder altmodisch vorkäme.

Experten schätzen, dass seit 1992, als der Hollywoodfilm "Sister Act" mit Whoopi Goldberg als swingender Nonne in die Kinos kam, mindestens 4000 Chöre in Deutschland gegründet wurden, die fast ausschließlich Gospel singen. Auch viele konventionelle Kirchenchöre begeben sich wenigstens zeitweise auf den Gospeltrip. Verändert der schwarze Sound aus der Neuen Welt Chöre und Kirchen in Deutschland? Übernimmt Gospel die Herrschaft zwischen Alpen und Ostsee?

So kann man Gospel sehen. Aber auch ganz anders: als ein kurzlebiges, vorübergehendes Phänomen, das letztendlich nicht zur hiesigen Gottesdienstpraxis passt.

Hans-Peter Glimpf, ein Mittfünfziger im braun melierten Sakko ist seit fast 30 Jahren Kantor an der Heilandkirche in Bonn-Mehlem und möchte nicht einstimmen in die Gospeleuphorie. Er findet, dass Gospelchorauftritte im normalen Gottesdienst nicht passen. Sein Eindruck: "Ah, jetzt unterbrechen wir den Gottesdienst für den Auftritt des Chores." Sollte aber ein Chor nicht Dienstleister des Gottesdienstes und der Gemeinde sein? Darf er sich mit seiner Musik und seiner Ausstrahlung zum Mittelpunkt des Geschehens machen?

In Glimpfs Büro steht ein Synthesizer. Macht der Herr Kantor heimlich Hiphop? Der unaufgeregte Rheinländer winkt ab. Das Gerät braucht er, um die zahlreichen Passionsmusiken des Barockkomponisten Georg Philipp Telemann aus Handschriften in das Notenprogramm seines Computers zu übertragen. Glimpf klappt seinen Aktenkoffer auf und zeigt stolz eine gerade übertragene Partitur.

Ja, für die Alte Musik schlägt sein Herz, auch wenn er gegen gute moderne Musik überhaupt nichts einzuwenden hat. Jedenfalls, wenn sie auf den Gottesdienst abgestimmt ist. So wie neulich, am zweiten Sonntag im Juni, als er eine bisher unveröffentlichte Kantate eines unbekannten Barockmeisters namens Buttstedt aufführte, die das Evangelium von der Auferweckung des Lazarus ganz trefflich dramatisiert. Alle waren begeistert, und Glimpf ist überzeugt: Die Gemeinde merkt wohl und goutiert es, wenn Pfarrer und Kirchenmusiker gut zusammenwirken.

Suchen die Gospelchöre, die jetzt vielerorts entstehen, in gleicher Weise den Dialog zwischen ihrer Musik und der alten Liturgie? "Viele dieser Chöre lösen sich nach ein paar Jahren wieder auf", stellt Glimpf fest. Eine kontinuierliche Chorarbeit auf hohem Niveau sei da kaum möglich. Der ersten Euphorie folge oft die Ernüchterung, und die liege auch in der Eintönigkeit des Gospelmaterials begründet. "Immer nur dasselbe, das wird schnell langweilig." Wer sich auf Gospel beschränke, stoße rasch auf Grenzen.

Christinas Welt ist weiter geworden ­- durch Gospel.

Christinas Welt ist weiter geworden ­- durch Gospel. Schon mit sechs Jahren sang sie im Kirchenchor ihrer Gemeinde, mit zehn Jahren bekam sie Klavierunterricht, wenig später spielte sie Geige. Inzwischen leitet sie selbst den Kinderchor und übt im klassischen Gesangsunterricht Barock-Arien. Aber was wäre das alles ohne Gospel?

Mit Power zelebriert ihr Chor an diesem Abend den Song "Total praise" von US-Gospelstar Richard Smallwood: I will lift mine eyes to the hills. Christina schließt wieder die Augen, sie badet im warmen Sound. Donnernd setzt der Refrain ein. You are the source of my strength, you are the strength of my life.

Der Gemeindesaal der katholischen Kirche St. Sebastian ist eigentlich ein ästhetischer Alptraum: braune Holzvertäfelung, dämmrige Lampen und der Flügel sehr verstimmt. Doch das alles scheint verwandelt durch das Licht der Klänge und die Macht der Stimmen: I lift my hands in total praise to you. Amen. Die Scheiben bleiben heil und die Holzstatue des lustvoll leidenden Sebastian steht auch noch auf ihrem Sockel ­ Glück gehabt! 70 Menschen freuen sich über sich selbst und ihre gemeinsame Musik, viele klatschen nach dem letzten Ton und umarmen sich. Es muss einfach raus. "Ohne Gospel wäre das Leben schrecklich", resümiert Christina.

Ralf Grössler würde es weniger überschwänglich formulieren. Aber er meint das Gleiche. Der jungenhaft wirkende 46-Jährige mit dem freundlichen Lachen ist Kirchenmusiker in Wildeshausen bei Bremen. Neben seiner normalen Kantorei, die Klassiker der Kirchenmusik von Bach bis Mendelssohn singt, hat Grössler einen 60-köpfigen Gospelchor, die "Joyful Voices". Mit dem veranstaltet er viel beachtete Gospelevents, meist mit von ihm selbst komponierten Werken.

Grössler wuchs mit klassischen Sonntagskonzerten im Radio auf, die er sehr liebte. Trotzdem blieb der Eindruck "Da fehlt doch was." Mit der Zeit kam er dahinter, dass ihm bei allen schönen Harmonien von Mozart bis Beethoven der Rhythmus zu kurz kam. Heute sagt er augenzwinkernd: "Diese schöne Musik hatte für mich keinen Unterleib."

Den fand Grössler im Gospel. Auf seiner ersten Kantorenstelle bei München gründete er vor über zwanzig Jahren einen Gospelchor ­ damals eine Rarität. 1984 schrieb er eine "Gospelmesse", in der er eine Synthese zwischen abendländischer Kirchenmusik und schwarzer Gospelmusik probierte. So fand er zu seinem Stil. Bis heute kombiniert Grössler seine Gospelwerke mit Streichorchester und streut hin und wieder gerne altehrwürdige deutsche Choralzeilen ein.

Und die fremde Kultur? Hat er denn keine Berührungsängste? Grössler schüttelt erstaunt den Kopf: "Nö, wieso denn das? Japaner singen Bach, Deutsche singen Gospel ­ ich finde das wunderbar!" Er verlange von seinen Musikern auch gar nicht, die Singtechnik der Afroamerikaner möglichst perfekt zu imitieren: "Wir singen eh ganz anders als die." Und obwohl er mittlerweile als Gospelpapst unter Deutschlands Kirchenmusikern gilt, weil viele seiner Werke als Noten verlegt sind und sich gut verkaufen, besuchte er bisher nur einmal die USA, das Mutterland des Gospel. Er grinst: "Bei mir ist das eher wie mit Karl May und dem Wilden Westen!"

In Grösslers Alexanderkirche, die romanischen Ursprungs ist, steht eine neue Lautsprecheranlage, die ihm bei seinen Gospelevents hilft, den richtigen Sound zu treffen. Der alte Kirchenraum gepaart mit Gospel ­ klappt diese Synthese denn auch im Gottesdienst am Sonntagmorgen um 10 Uhr? Der lebhafte Musiker wird einsilbig: "Na ja, eigentlich nicht so gut!" Seine Gospelkonzerte laufen eher neben dem Gottesdienst her. In den Gottesdiensten seiner Gemeinde spielt er ganz brav die Orgel, weil die Pastoren es so wünschen. Was allerdings dazu führt, dass die meisten Gospelsänger aus seinen Chören nicht in den normalen Gottesdienst gehen.

Warum? Ist der zu langweilig? Grössler windet sich, er will nichts Böses sagen, erwähnt nur, dass ihm einmal rausgerutscht sei: "Wenn ich hier nicht Kantor wäre, würde ich hier nicht freiwillig in den Gottesdienst gehen." Das gab natürlich Ärger.

Wie genau könnte sie denn aussehen, die gelungene Synthese des wortlastigen evangelischen Gottesdienstes mit den Gospelrhythmen? Grössler weiß es auch nicht. "Aber ich würde mich gerne auf die Suche begeben." Leider will in Wildeshausen zurzeit keiner mitgehen.

Geschafft!

Geschafft! Probenende in Hamburg-Horn. Nach knapp zwei Stunden entlässt Kantorin Thobaben ihre Sängerschar in den gemütlichen Teil des Abends. Einige aus dem Rund des Chores muffeln noch ein bisschen wegen des Gospel-Stückes, das heute geprobt wurde. "Ich muss ehrlich sagen: Geht so!", urteilt Dagmar Held. Sie muss an die Hochzeit ihrer Tochter denken: "Da wurden nur Gospels und so neues Zeug gesungen. Das war mir zu vordergründig!"

Die Kantorin beruhigt die Skeptiker: "Keine Angst. Immer Gospel muss ich auch nicht haben!" Und so dreht sich das Gespräch rasch wieder um klassische Choräle und die nächsten Auftritte. "Für mich ist der Chor am Dienstag eine wichtige Belebung in der Woche", strahlt Dagmar Held, "da fällt mir beim Singen eine Last von den Schultern. Singen ist die schönste Form des Gotteslobs überhaupt ­ aber ich habe zunehmend Schwierigkeiten, die Predigten in den Kirchen zu hören." Warum? "Zu banal, zu theoretisch, zu unbedeutend."

Und ihre geliebten Choräle aus dem Gesangbuch? Dagmar Held seufzt: "Es ist schon frustrierend, wenn am Sonntagmorgen in der Gemeinde kaum jemand die Lieder überhaupt noch kennt." Vielleicht doch öfter mal was Flottes, zum Beispiel Gospel? Dagmar Held gerät ins Grübeln: " Na ja, mal ganz schön. Aber wenn ich mir die Texte angucke, immer nur Hallelujah und Oh Jesus, das ist mir wirklich zu eintönig."

Langweilig, eintönig?

Langweilig, eintönig? Christina hört wohl nicht recht. Kürzlich ist ihr Chor durch die USA gereist. Ein Megaprogramm in zwölf Tagen. "Das Krasseste waren vier Gottesdienste an einem Tag, alle voller Wärme und Ekstase, und jedes Mal war es wieder von neuem toll, die Hymnen zu singen." Wenn sie sich daran erinnert, gerät die eher ruhige und kontrollierte junge Frau in Wallung: "Hier in Deutschland schlafen wir doch bei der Predigt ein. In Amerika aber sind die Predigten nicht so gestelzt wie bei uns." Nach der Rückkehr hat sie angefangen, die Bibel auf Englisch zu lesen. Bis zum vierten Buch Mose ist sie schon gekommen.

Wer sagt also, beim Gospel käme es auf die Worte nicht an? "Ich denke immer wieder: Da oben hört mich jemand!", sagt Christina nachdenklich. Deshalb ist der Text der Songs für sie sehr wichtig: Gerade weil es so schwierig ist, über den Glauben zu sprechen, besonders mit Gleichaltrigen. "Die fangen immer nur damit an: Der Papst hat gesagt..." Da ist singen der bessere Weg, sich über Glaubensfragen zu verständigen.

Ein Weg zur Freude, ein Weg zur Befreiung ­ vielleicht nicht für alle, vielleicht nicht für jeden Gottesdienst und jede Situation. Aber für viele. Mit ihren 17 Jahren kann sich Christina eine Kirche schon nicht mehr vorstellen, die versuchte, gänzlich ohne Gospel auszukommen.

Noch einmal setzt "Wave of Joy" zu einer Hymne an. Diesmal verhallt der Schlussausruf angemessen dreckig im Gemeindesaal. Selbst die Figur des heiligen Sebastians scheint inmitten ihrer Qual ein wenig zu lächeln.

Braucht die Musik in Deutschlands Kirchen die Auffrischung durch Gospel? Sind die Songs der Afroamerikaner die große Chance, mehr Menschen für Kirche und Glauben zu begeistern? Oder passt Gospel gar nicht zum Geist und zur Liturgie unserer Gottesdienste? Ist die Gospelwelle bald schon wieder vorbei?

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Ist Gospel eintönig, immer dasselbe, wie hier gelegentlich geäußert wird?

Nun, es gibt viele Gospelchöre in Deutschland, die ausschließlich das Feld des traditionellen Gospel beackern. Ich besuchte kürzlich das Konzert eines relativ renommierten Braunschweiger Gospelchores, dessen Repertoire zu einem nicht unwesentlichen Teil aus diesen abgenudelten All-Time-Classics bestand: Klar stellt sich da Langeweile ein, wenn man "This Little Light Of Mine" in der 3269. Version über sich ergehen lassen muss.

Aber der Gospel hat sich ja weiterentwickelt und aus den USA ist die Welle des Contemporary Black Gospel schon seit Jahren herübergeschwappt. Viele moderne Gospelchöre begeistern mit dieser an Soul, R&B, Hiphop und Pop orientierten Musik von Interpreten wie Kirk Franklin, Donnie McClurkin, Hezekiah Walker, Israel Houghton, u.v.m., die in den USA die Popularität von Popstars haben, ihre Zuhörer.

Zusätzlich hat sich eine europäische Version des Contemporary Gospel herausgebildet, deren hervorragendste Vertreter wohl der Däne Hans Christian Jochimsen und Thore W. Aas, der Leiter des Oslo Gospel Choir, sind.

So ist die zeitgenössische Gospelmusik so vielfältig, dass von Monotonie oder Stereotypie keine Rede sein kann.

Trotzdem trifft auch für mich die Aussage zu (Ich bin nebenamtlicher Kirchenmsuiker, Chorleiter): Gospelmusik macht mir zwar Spaß, und ich denke, sie schafft Sängern und Zuhörern gleichermassen einen sehr unmittelbaren Zugang zu Gott. Trotzdem könnte ich mir niemals vorstellen, ausschließlich zu Gospeln. Gospel geht ab, bringt die Menschen zum Swingen zum Lobe Gottes, aber ihm fehlt die Tiefe und die anrührende, zu Herzen gehende Kraft unserer traditionellen Kirchenmusik.

Für mich stellt sich nicht die Frage, ob Gospelmusik Platz in der christlichen Kirche oder im Gottesdienst haben sollte, denn sie hat sich neben der traditionellen Kirchenmusik längst einen Platz in unseren Kirchen erobert. Und das ist doch auch gut so: Glaube lebt von der Vielfalt - wichtig ist, dass ich Gott lobe. Ob nun mit einem Gospel oder einem Choral von Paul Gerhard: Wenn es aus der Tiefe meines Herzens kommt, wird Gott eines nicht weniger gefallen als das andere!