Neutral über die Situation von Flüchtlingen auf Lesbos zu berichten, ist schwer. Es beginnt schon damit, wie ich das Lager nenne, das nach dem Brand des Camps Moria aus dem Boden gestampft wurde. 7000 Menschen leben hier. Offiziell heißt das Lager Mavrovouni oder Kara Tepe – griechisch und türkisch für "Schwarzer Berg".
Manche Aktivisten aber sagen schlicht "Moria 2.0", um auszudrücken: Hier sei es mindestens genauso schlimm wie in Moria. Denn die Zelte stünden bei jedem Regenguss komplett unter Wasser, Kinder würden von Ratten gebissen, und die Regierung setze alles daran, die Lage möglichst unerträglich zu gestalten.
Andrea Wegener
Ich tue mich schwer mit dem Begriff "Moria 2.0". Vor Ort stellt sich vieles differenzierter dar. Das Regen-Ableitungssystem funktioniert mittlerweile. Das mit den Ratten passierte auf einer anderen Insel. Und auch in den Behörden gibt es durchaus Menschen, die sich für die Geflüchteten einsetzen. Aber kann ich deswegen sagen: Ganz so schlimm ist es nicht?
Es ist ja immer noch schlimm genug, wenn Menschen zusammengepfercht sind – in den 16-Quadratmeter-Zelten leben bis zu drei Familien, in Großzelten 150 Menschen zusammen –, wenn Kinder nicht zur Schule gehen können und Männer und Frauen psychisch zerbrechen, weil sie keine Perspektive haben. Trotzdem: Ärger und Bitterkeit vertragen sich schwer mit Mitgefühl und Zuversicht, die hier alle brauchen.
Bessere Sicherheitslage
Mir hilft es, zu feiern, was gut ist: Es gibt inzwischen Duschen und warmes Wasser. In den Massenzelten sind Zwischenwände und -decken eingezogen worden. Die Sicherheitslage ist besser als vorher: Wir hatten noch keine tödliche Messerstecherei – in Moria passierte das oft. Über solche Dinge freuen wir uns. Erst recht die unter uns, die auch Moria kannten.