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Zweimal im Jahr ist weltliche Fastenzeit: Nach Weihnachten, weil der Gans- und Plätzchenspeck weg muss. Und vor dem Sommerurlaub, damit „Biermuskeln“ und Fettröllchen einer ansehnlichen Bikini- und Badehosenfigur weichen. Unzählige websites werben im Internet für Kuren und Kurse. Sie vermitteln das schöne Gefühl, die angepriesene Methode stehe im Kontext transzendentaler Menschheitserfahrungen, mithin könne sie nur hilfreich sein.
In fast allen Weltreligionen zählt Fasten zum Traditionsbestand. Der rituelle Nahrungsverzicht hat allerdings ganz unterschiedliche Ziele. Einmal sorgt er für Läuterung und geistliche Konzentration auf die Mitte des Lebens: Man ist bereit, Almosen zu geben und den eigenen Besitz zu teilen. Andere Asketen auf Zeit zeigen individuelle oder gemeinschaftliche Bußfertigkeit. Wer dagegen radikal fastet, hat meist die Hoffnung, sich frei von Ballast und Ballaststoffen ekstatisch dem Göttlichen annähern zu können.
Fasten kommt vom gotischen „fastan“, festhalten, im Auge behalten. Die drei Dimensionen menschlicher Existenz – die Beziehung zu Gott, zu sich selbst und zum Nächsten – werden im Fasten in den Blick genommen und aufeinander bezogen. Das Loslassen von Fixierungen erschließt bislang verborgene Einsichten und Lebensvollzüge. Die Unterbrechung des Gewohnten macht wach. Durch Verzicht wird Kostbares bewusst. Fasten, recht verstanden, ist ein folgenreiches Rendezvous mit der Freiheit.
Fasten entstaubt
Im Mittelpunkt steht nicht die Frage nach dem, was man sich an Alkohol oder Nikotin, an Schokolade, Gummibärchen, Fernsehen oder Kraftausdrücken erlaubt oder versagt. Im Zentrum des Fastens steht die Frage, was einem am Herzen liegt und woran das eigene Herz hängt. „Was aus dem Menschen herauskommt, das macht den Menschen unrein; denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen heraus böse Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Arglist, Ausschweifung, Missgunst, Lästerung, Hochmut, Unvernunft“ heißt es in der Bibel (Markus 7,20f).
Sinnlos ist eine oberflächliche Fastenpraxis, die keine Konsequenzen in Einstellung und Verhalten zeitigt. Echte Fastende bekämpfen liebgewordene, aber für sich selbst und andere schädliche Gewohnheiten. Jenseits von klerikal verordnetem Zwang und der Gefahr einer nur scheinbaren „Heiligkeit“, eröffnet Fasten einen attraktiven Rahmen, um gleichsam „entstaubt“ zu verzichten und sich in Augenblicken der Anfechtung gegenseitig fröhlich zu bestärken.
PS: Schauen Sie doch am 21. Februar in den ZDF-Fernsehgottesdienst zur Eröffnung unserer Fastenaktion „Spielraum! Sieben Wochen ohne Blockade” hinein. Ich werde dabei sein. Wir übertragen live ab 9 Uhr aus der Johannesgemeinde in Eltville-Erbach.