08.06.2020

Liebe Leserin, lieber Leser,

was ist Ihnen wichtig im Leben? Der Garten, die Kinder, die Arbeit, die Liebe? Das Essen? Ruhe – oder Bewegung?

Mit zwanzig antworten Sie darauf sicher anders als mit vierzig. Und in chrismon können Sie jetzt lesen, wie man mit zehn Jahren oder mit 100 auf sein Leben blicken könnte. Werner Kruse zum Beispiel sagt, er war sein ganzes Leben in Bewegung. Er zieht sich gern chic an, schon immer. Wilhelm Simonsohn denkt an seine Jugend in der Nazizeit – und an seine Besuche in Schulen, wo er davon erzählt. Charlotte Oberberg achtet auf sich: "Es macht so viel Freude, am Leben zu sein."

Keiner von ihnen spricht vom Beruf. Dabei haben sie doch sicher dreißig, vierzig Jahre gearbeitet. Offenbar bedeutet das mit großem Abstand auch nicht mehr so viel, wie es mir heute vorkommt. Bekanntlich denkt man im Alter ja auch mehr an die eigene Kindheit als an die eigenen Kinder. Bedeutungen verschieben sich.

Man muss aber auch sagen: Diese Alten haben es offenbar gut. Oder konnten sich in dem Moment, als die Fotografin kam (vor Corona), an ihren Optimismus und ihr Gottvertrauen erinnern. Wir sprechen in diesen Tagen viel über die alten Menschen, die sich immer noch fernhalten müssen von ihren Lieben, die in Alten- und Pflegeheimen zu lange isoliert waren oder es immer noch sind, die das eigene Sterben oder das ihres Lebenspartners in Einsamkeit vor sich sehen. Johann-Hinrich Claussen mahnt in seinem anregenden (und sonst immer wieder sehr unterhaltsamen) chrismon-Blog gleich in mehreren Beiträgen, dass wir sie nicht allein lassen.

Und die Nicht-ganz-so-Alten wie ich dürfen die Jüngeren nicht im Stich lassen. Es kann doch nicht sein, dass wir spazieren gehen, während die sich zwischen Kindern und Homeoffice aufreiben. Irgendwas stimmt da nicht. Da hat Margot Käßmann recht, wenn sie sagt, dass sie, wenn es sinnvoll wäre, gern für ihre Enkel zurückstecken würde. Freiwillig, natürlich.

Ich wünsche Ihnen eine gute Woche.

Ihre Anne Buhrfeind

Stellvertretende Chefredakteurin