Susanne Breit-Keßler Pfingstbrötchen
Susanne Breit-Keßler Pfingstbrötchen
Susanne Breit-Keßler
Inspiration am Ofen
26.05.2020

„An Pfingsten gibt‘s nix. Kein Christkind und keinen Osterhasen. Bloß den Heiligen Geist“. Eine Redewendung, nicht ganz ernst gemeint. Zugleich drückt sie Hilflosigkeit aus: Wie feiert man ein Fest, an dem es um  unsichtbare Kraft geht, um Dynamik vom Himmel? Geschenke wie an Weihnachten und Ostern überreicht man sich nicht. Traditionelle Gerichte wie Gans, Ente, Karpfen, Lamm, falscher Hase und Eiersalate fallen flach. Grillen kann man  - aber das ist nichts Besonderes.

In früheren Zeiten bekamen Bauernmägde an Pfingsten gemolkene Milch geschenkt. Diese Pfingstmilch aßen sie als Suppe mit Eiern und Mandeln. Passt aber für heute genau so wenig wie der Pfingstochse, der auf Platten mit ganzen Zitronen serviert wurde. Gerne hat man in besseren Kreisen auch gebratene Taube gegessen. Ein merkwürdiger Brauch, das Tier zu verspeisen, das in der Bibel nach der Sintflut als Hoffnungsträger aufkreuzt und später den Heiligen Geist symbolisiert.

Brez’n á la Taube

Ich liebe Traditionen, aber keine blutigen Speisen. Deswegen habe ich  vegetarisch trainiert. Im Allgäu isst man an Pfingsten Brotvögel. Im 18. Jahrhundert wurde das herzhafte Gebäck durch eine Luke in die Kirche hinein geworfen. Die kleinen Piepmatze stürzten wie der Heilige Geist persönlich auf die Gläubigen herab. Manch einer wurde getroffen, andere rangelten sich mit großem Gekreische um die Köstlichkeiten. Das war der klerikalen Obrigkeit zu wenig andächtig.

Man verbot den Spaß im Jahr 1803. Nachdem der Geist aber weht, wo er will, stehe ich heute höchst inspiriert in der Küche und backe Brotvögel. Ich nehme ein Pfund helles Mehl, vermische es mit einem Päckchen Trockenhefe  - gibt es wieder, juhu! - 300 ml Wasser und drei Esslöffel Öl. Dann wird gebastelt. Himmel hilf! Die fertigen Vögelchen tauche ich für 45 Sekunden in einen Liter gekochtes Wasser, das ich mit Natron aus der Tüte versetzt habe. Vorsicht, das ätzt! Aber es gibt einen herrlichen  Brez‘ngeschmack ...

Ich nehme Pfefferkörner als Augen und grobes Salz für das „Gefieder“. Gebacken wird bei 220 Grad etwa 15 Minuten. Es duftet ... Kurz überlege ich, ob ich den fertigen Heiligen Geist rituell durch die Wohnung werfe. Mit Essen spielt man aber nicht, habe ich gelernt. Im Alten Testament wiederum spielt der weibliche Heilige Geist, die Weisheit Gottes zu seiner großen Freude vor seinen Füßen. Was tun? Ich lasse den Weitwurf. Kann ich eh nicht. Manchmal bedeutet Erleuchtung Einsicht. Pfingsten!

 

Vom Blog zum Buch:
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Kolumne

Susanne Breit-Keßler

Essen und Trinken hält Leib und ­Seele zusammen. Und darüber Neues zu lesen, macht den Geist fit. Viele Folgen lang hat Susanne Breit-Keßler Ihnen Woche für Woche ihre Gedanken dazu aufgeschrieben und guten Appetit gewünscht. Im Sommer 2024 endete die Kolumne. Die Texte sind weiter im Archiv abrufbar.