Andererseits - Patientenverfügung
Andererseits - Patientenverfügung
Kati Szilagyi
Ist die Patientenverfügung in Zeiten von Corona ein Problem?
Stefanie Schardien, Pfarrerin in Fürth und "Wort zum Sonntag"-Sprecherin, beantwortet für chrismon jeden Monat kniffelige Lebensfragen.
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29.04.2020

Mimi F. aus Frankfurt fragt: 

"Ich habe meine alten Eltern mühsam dazu ­bekommen, eine Patientenverfügung zu ­verfassen. Eigentlich sind sie fit, keine Demenz, keine großen Einschränkungen. In dieser Patientenverfügung ­jedenfalls steht auch, dass die Ärzte irgendwann nicht mehr alle lebens­erhaltenden Register ziehen sollen, zum Beispiel maschinell beatmen. Sollten meine Eltern nun doch schwer am Coronavirus ­erkranken – werden sie dann etwa nicht mehr ­beatmet, auch wenn sie es vielleicht bräuchten? Und bin ich als Tochter dann schuld, weil ich sie zu diesem Papier gedrängt habe?"

 

Stefanie Schardien antwortet:

Es ist kein kleiner Schritt, sich schon zu Lebzeiten gedanklich mit dem eigenen Sterben zu befassen. Doch mit den ­medizinischen Möglichkeiten am Lebensende ist eben auch die Zahl der notwendigen Entscheidungen ge­stiegen. So hilft die Patientenverfügung Ihrer Eltern dabei, im Falle ihres ­Sterbens nach ihrem Wunsch und ­Willen zu handeln. Vermutlich waren Ihre Eltern froh, diese Aufgabe endlich vom Tisch zu haben. Nun ist Ihre Sorge berechtigt, dass sich die Verfügungen der Eltern unter ­Corona-Bedingungen als falsch erweisen könnten.

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Stefanie Schardien

Dr. Stefanie Schardien, geboren 1976, ist Theologin und Theologische Geschäftsführerin des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik. Zuvor war sie Pfarrerin in St. Michael in Fürth. Sie war Juniorprofessorin an der Universität Hildesheim für Systematische Theologie und arbeitete als Pfarrerin für Kindergottesdienst im Amt für Gemeindedienst der Bayerischen Landeskirche. Schardien ist Mitglied der Präsidialversammlung des Deutschen Evangelischen Kirchentags. Seit 2019 gehört Schardien dem festen Team der ARD-Sendung "Das Wort zum Sonntag" an.

Die gute Nachricht: Diese Dokumente dürfen jederzeit erneuert, verändert und auch etwa für den konkreten Corona-Fall präzisiert werden. Fragen Sie Ihre Eltern also, ob sie ihre Verfügung anpassen möchten. Sinnvoll wäre auch, dass Ihre Eltern sich wechselseitig oder Ihnen als Tochter eine Vorsorgevollmacht geben, damit im Zweifelsfall vertraute Menschen für ­ sie entscheiden können. Sie haben sich also keinesfalls schuldig damit ­gemacht, Ihren Eltern die Patienten­verfügung ans Herz zu legen. So wie Sie dabei nach bestem Wissen und ­Gewissen gehandelt haben, sollten Sie auch jetzt wieder verfahren und mit Ihren Eltern über die veränderte Situation, über ­Ihre Bedenken und die – ziemlich einfachen – Lösungsmöglichkeiten sprechen.

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Frau Schardien nennt die Sorge einer Leserin berechtigt, dass sich Patientenverfügungen unter Corona-Bedingungen als falsch erweisen. Das signalisiert Gefahr und Handlungsbedarf. Aber das stimmt so einfach nicht.
Der Gesetzgeber hat sich große Mühe gegeben, damit Verfügungen nicht gelten, wenn man es gar nicht will. Es muss genau beschrieben sein, unter welchen Voraussetzungen eine Verfügung, z.B. keine Beatmung, verbindlich ist. "Ich will nicht an (Beatmungs-)Schläuchen hängen", solche allgemeinen Formulierungen sind bekanntermaßen und aus guten Gründen nicht ausreichend.
Gesetzlich sind Sicherungen also längst eingebaut, hier muss eine normale Patientenverfügung nicht extra wegen Corona erneuert und angepasst werden, wie Frau Schardien nahelegt.
Aus meiner Sicht ist es daher falsch, Menschen mit so ungenauen Informationen zusätzlich zu verunsichern - weder mit, noch ohne Corona.
Karin Lackus

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Sehr geehrte Frau Schardien!
Ihre Antwort auf die Frage, ob die Patientenverfügung der Eltern einer Intensivmedizinischen Behandlung im Wege steht, ist missverständlich formuliert. Als Hausärztin bekomme ich auch ganz oft diese Frage und es wird gefragt, ob die Patientenverfügung jetzt geändert und angepasst werden muss, damit eine Intensivmedizinische Behandlung bei einer Coronainfektion durch geführt wird trotz Patientenverfügung.
Die gängigen Patientenverfügungen müssen nicht geändert werden! Sie enthalten alle eine Beschreibung für welche Situationen sie gelten sollen. Dies ist im Allgemeinen schwere Demenz, schwerste Hirnschädigung und unmittelbar bevorstehender, nicht abwendbarer Tod . Das Alter allein spielt da keine Rolle. Wenn zuvor fitte, nicht schwer demente alte Menschen akut schwer erkranken, z. B. an Corona, dann greift die Patientenverfügung nicht, da sie dann nicht gilt ( siehe oben, für welche Situation soll die Patientenverfügung gelten) und es werden selbstversändliche alle intensivmedizinischen Maßnahmen ergriffen.
Jeder der eine Patientenverfügung hat ( und das sollte man im jedem Alter haben) sollte einfach noch einmal überlegen, wann soll meine Patientenverfügung gelten. Wenn man schwerst kranke Angehörige hat, dann kann es sinnvoll sein, zu überlegen, ist die Erkrankung jetzt soweit fortgeschritten, dass eine intensivmedizinische Behandlung nicht mehr sinnvoll ist. Ist im Verlauf der schweren Erkrankung der Zeitpukt gekommen, an dem die Patientenverfünung in Kraft treten soll.
Dann sollten sie das mit den Betroffenen (soweit das bei der schweren Erkrankung möglich ist) und dem Hausarzt besprechen, damit keine, nur das Leiden verlängernde Therapien erfolgen, sondern ein würdevolles Sterben ermöglicht wird ohne intensivmedizinische Behandlung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. med. Antje Pauly