Ohne Ronen Shimoni wäre dieser Ort noch immer vermintes Grenzgebiet. Heute führt der Projektmanager von der Landminen-Räumorganisation "Halo Trust" eine Gruppe Franziskanermönche zu ihrem kleinen Kloster an der wieder zum Leben erweckten Taufstätte Jesu.
Fünfzig Jahre lang hat niemand einen Fuß in das Kloster gesetzt. "Dies ist unser Zuhause", sagt Franziskanerpater Francesco Patton. Er ist der von den Franziskanern entsandte Leiter der heiligen Stätten im Heiligen Land.
Die Uferböschung ist nur ein paar Schritte vom alten Kloster entfernt. Hinter einem Holzplateau und viel Schilf lugt der Jordan in Grün, Braun, Türkis hervor, nicht mehr als ein Rinnsal zwischen israelischen und jordanischen Grenzzäunen. Jahrzehntelang haben christliche Gläubige darauf gewartet, dass der Uferabschnitt, wo Jesus von Johannes getauft wurde, wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
Früher gehörte das gesamte Gebiet um das Franziskanerkloster und die Taufstelle Jesu zu Jordanien. Qasr al-Yahud (jüdische Festung) heißt der Zugang am westlichen Ufer auf Arabisch, Al-Maghtas (Taufstätte) heißt das Ufer auf der gegenüberliegenden Seite.
Seit dem Sechstagekrieg 1967 zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarstaaten markiert der Jordan die Grenze. Rund 3000 Minen lagen auf einer Länge von rund 100 Kilometern entlang des Flusses. Aus dem religiösen Wallfahrtsort wurde militärische Sperrzone.
Nun hat die weltweit tätige Landminen-Räumorganisation Halo Trust auch diesen Abschnitt des Jordans von Landminen befreit. Vielleicht ist aber dies der größte Erfolg von Halo Trust: Das Unternehmen hat für diese Räumung an einem heiligen und umstrittenen Ort Vertreter von Institutionen an einen Tisch gebracht, die sich sonst aus dem Weg gehen – sieben christliche Konfessionen, das israelische und jordanische Militär, die israelische Natur- und Parkbehörde sowie die Palästinensische Autonomiebehörde.
Über den ganzen Januar finden sich Tausende Taufwillige hier am Jordan zusammen: aus Russland, den Philippinen, Osteuropa, der Elfenbeinküste, Griechenland, Ägypten, Nahost und den USA.
Die Mönche haben nicht zufällig den Januar 2019 für die feierliche Wiedereröffnung ihres Klosters gewählt. Am 6. Januar begehen Katholiken den "Tag der Heiligen Drei Könige". Der Tag heißt traditionell auch Epiphanias, "Erscheinung des Herrn". In den Ostkirchen, die dem julianischen Kalender folgen, fällt der 6. Januar (nach unserem gregorianischen Kalender) auf den 19. Januar. Die Ostkirchen feiern an Epiphanias die Taufe Jesu und gedenken des Heiligen Geistes, der sich hier am Jordan mit einer Stimme aus dem Himmel offenbart haben soll. Der 13. Januar wiederum, der Sonntag nach Epiphanias, ist für Katholiken der "Tag der Taufe des Herrn".
"Während der Dreikönigsfeiern kommen Gläubige aus dem Osten und dem Westen, und sie treffen sich im Fluss."
Pater Francesco Patton, Leiter der heiligen Stätten im Heiligen Land für die Franziskaner
Die ersten Besucher lassen sich mutig ins Wasser gleiten. Das Wasser ist kalt zu dieser Jahreszeit – sie schnappen überrascht nach Luft, rudern keuchend mit den Armen; andere strecken vorsichtig einen Zeh ins kalte Nass und ziehen ihn dann erschrocken zurück. Eine Gruppe russisch-orthodoxer Christen fasst sich bei den Händen, taucht dreimal unter und bekreuzigt sich dabei jedes Mal. Ein Kind schreit, als der Vater es untertaucht, und eine Mutter herrscht ihre Tochter auf Französisch an, das Wasser ja nicht zu trinken.
Eine jüdische Reisegruppe schaut dem Schauspiel etwas verwundert zu. "Auch für uns Juden ist dieser Ort heilig", sagt Yoav, der 45-jährige Fremdenführer aus einem Vorort von Tel Aviv. "Hier haben unsere Vorfahren nach dem Exodus zum ersten Mal den Fluss in Richtung Gelobtes Land überquert, und hier ist der Prophet Elija zum Himmel aufgestiegen."
"Wir werden uns das Wasser gut einteilen und noch wochenlang davon zu Hause zehren."
Eine französische Pilgerin, die sich gerade Jordanwasser abgefüllt hat
Viele Christen füllen das heilige Nass in Flaschen ab: "Wir werden es uns gut einteilen und noch wochenlang davon zu Hause zehren", sagt eine Dame aus Frankreich. Sie ist mit der Roma-Mission "Vie et Lumière" aus Paris extra für das Epiphaniasfest nach Israel gekommen und schreitet jetzt gemeinsam mit ihrem Priester ins Wasser.
Die Pilger halten den Moment nach dem Bad im Jordan fotografisch fest. Dann machen sie sich wieder auf den Heimweg durch die Wüstenlandschaft.