Die Demonstranten in Hongkong sind überwiegend sehr junge Menschen. Doch die Hoffnung, die seit Juni 2019 anhaltenden Proteste würden mit dem Ende der Schul- und Semesterferien abflauen, hat sich nicht erfüllt. Die Situation hat sich sogar noch verschärft, die Gewaltbereitschaft unter den Protestierenden hat zugenommen. Entsprechend härter greift auch die Polizei durch.
Roland Rohde
In der Woche herrscht trügerische Ruhe. Angestellte können ungehindert zur Arbeit fahren und sehen praktisch keine Demonstranten. Dafür eskaliert die Gewalt regelmäßig am Wochenende. Dann sollte man insbesondere die Innenstadt meiden. Bevor man das Haus verlässt, empfiehlt es sich, aktuelle Pressemeldungen und Verkehrshinweise zu studieren.
Auch in den deutschsprachigen – evangelischen und katholischen – Gemeinden in Hongkong wächst die Besorgnis. Eltern befürchten, ihre Kinder könnten aus Versehen zwischen die Fronten geraten.
Am Freitag, 4. Oktober, kam es zu Gewaltexzessen, nachdem die Regierung ein Vermummungsverbot für Demonstranten eingeführt hatte. Bahnhöfe und Niederlassungen chinesischer Banken wurden verwüstet. Am Samstag stellten die U-Bahnen – die Lebensadern der Metropole – ihren Betrieb ein. Am Sonntag und Montag fuhren sie nur zeitweilig. So etwas hatte es in Hongkong noch nie gegeben.
Ganze Viertel sind ausgestorben
An dem Samstag traf ich mich abends mit einem Freund in Wanchai. Das sonst pulsierende Vergnügungsviertel war nahezu ausgestorben. Einige Bars hatten geöffnet. Wir redeten mit einer philippinischen Bedienung, die aufgrund fehlender Gäste viel Zeit hatte, aber wenig verdiente. Sie ist eine von Hunderttausenden von Gastarbeiterinnen in der Stadt. Bis Weihnachten will sie ausharren. Dann wird sie sich, falls keine Besserung eintritt, in Macau oder Singapur Arbeit suchen. Wie sie dürften viele denken.
Hinter der Wut und Aggression der Demonstranten steckt auch der Frust über die hoffnungslose Wohnsituation. Viele müssen noch mit über 30 Jahren bei den Eltern in winzigen Apartments hausen und haben kaum Aussicht, jemals eine eigene Wohnung zu besitzen. Mieter müssen sich normalerweise alle zwei Jahre auf Mietsteigerungen von 20 bis 40 Prozent einstellen.
Endlich sinken die Mieten
Doch es gibt auch "Krisengewinnler". Dazu gehören jene, die gerade jetzt eine Wohnung anmieten oder kaufen wollen. Die exorbitanten Immobilienpreise gehen endlich spürbar zurück. Ein Bekannte bekam einen freundlichen Anruf ihres Vermieters. Er bot ihr eine vorzeitige Verlängerung ihres Vertrages zu einer reduzierten Miete an.