Wir gehen jeden Tag mit den Kindern in den Wald. Es gibt nur drei Ausnahmen: Gewitter, Sturm und Schneebruch. Dann müssen wir in unser Haupthaus. Morgens um acht bringen die Eltern ihre Kinder zum Parkplatz. Auf dem Weg zu unserem Bauwagen haben wir fünf Stopppunkte.An jedem gibt es ein Ritual. Dann singen wir zum Beispiel an einer Weggabelung ein Begrüßungslied.
Dagmar Stoldt
Viele Leute denken, dass unsere Kinder, die ja auch bei Regen und im Winter draußen sind, oft krank werden. Aber das stimmt nicht. Klar, im ersten Kindergartenjahr nehmen alle Kinder gern jeden Erreger mit. Aber danach werden sie seltener krank als die, die in den normalen Kindergarten gehen. Die Infekte wandern im Wald auch nicht so leicht von Kind zu Kind. Wir haben ja Platz. Aufpassen müssen wir mit den Zecken, die Borreliose übertragen können. Dieses Jahr sind es viele. Am besten, man trägt lange Hosen und steckt sie in die Socken.
Der Wald macht Kinder kreativer. Wir haben ja kaum Vorgefertigtes hier, sondern spielen mit dem, was wir in der Natur finden. Wir basteln zum Beispiel Szenen zu Geschichten zu den Jahreszeiten oder zu biblischen Geschichten mit Tannenzapfen, Gräsern, Ästen, Eicheln oder Steinchen. Meine Kollegin und ich beobachten, dass die Kinder, die ihren Eltern oft unruhig vorkamen, im Wald zur Ruhe finden. Die haben so viel Kraft, die sie hier einsetzen können. Wir haben auch schüchterne Kinder in der Gruppe, das sind erst mal unsere Beobachterkinder. Sie gucken und lernen. Und überwinden so ihre Zurückhaltung, weil sie mit dem Wissen auch Sicherheit gewinnen.
"Wir haben eine Karotte Wildschweine gesehen!"
Im Wald muss man einander helfen. Unsere Kinder halten zusammen. "Guck mal, es regnet, dann musst du deinen Rucksack da unters Zelt legen, sonst wird er nass" – so was sagen die Großen oft zu den Kleinen. Auch die Eltern arbeiten zusammen. Kinder wachsen so schnell, dann reichen sie Regenhosen und Gummistiefel an die Jüngeren weiter, damit nicht jeder alles neu kaufen muss.
Die Kinder erleben mit, was die Jahreszeiten für den Wald bedeuten. Am Anfang zeigen die Kinder auf vieles, weil sie noch keine Worte haben. Neulich sagte ein Junge: "Wir haben eine Karotte Wildschweine gesehen!" Wenn er in die Schule kommt, weiß er sicher, dass es "Rotte" heißt – und kann sogar beschreiben, wie ein Wald im Herbst riecht: nämlich viel mehr nach Erde und nach Laub als im Sommer. Und dort, wo Kastanien stehen, riecht es süß-modrig.
Protokoll: Nils Husmann