Bei unerfülltem Kinderwunsch gibt es organische oder seelische Ursachen. Körperliche Gründe liegen etwa zu gleichen Teilen beim Mann und der Frau vor. Ein Behandlungsplan erfolgt nicht nach Schema F, sondern wird individuell abgestimmt. Der behandelnde Arzt stellt auch persönliche Fragen, deshalb ist es wichtig, entspannt und ohne Scham Dinge anzusprechen.
Fortpflanzungsprozess
Assistierte Reproduktion, so wird künstliche Befruchtung auch genannt, orientiert sich an dem natürlichen Zyklus der Frau. Um zu verstehen, wie die verschiedenen Methoden dieser Befruchtung ablaufen, braucht es einen kurzen Blick auf den weiblichen Zyklus. Bevor eine Eizelle befruchtet werden kann, benötigt es das Hormon GnRH, das wiederum bestimmte Sexualhormone (FSH und LH) stimuliert. Diese ermöglichen das Heranwachsen eines Eibläschens (Follikel) im Eierstock und etwa zwischen dem 14. und 16. Tag des Zyklus den Eisprung (Ovulation). Die Befruchtung durch Samenzellen kann dann geschehen, woraufhin die besamte Eizelle innerhalb von circa 5 Tagen zur Gebärmutter wandert. Das Gelbkörperhormon Progesteron bereitet die Gebärmutterschleimhaut auf die Einnistung der befruchteten Eizelle vor. Der Embryo gibt das Hormon hCG ab, das eine erfolgreiche Einnistung signalisiert und dafür sorgt, dass die nun beginnende Schwangerschaft erhalten bleibt. Ab der neunten Woche spricht man vom Fetus oder Fötus.
Ovulationsinduktion (OI) und intrauterine Insemination (IUI)
Bevor man eine künstliche Befruchtung in Betracht zieht, kann es noch zwei andere Schritte geben. Zum einen gibt es Medikamente, die den Eisprung auslösen, falls dieser nicht von selber stattfinden kann. Dies nennt man Ovulationsinduktion (OI). Danach kann man entweder mit normalem Geschlechtsverkehr weitermachen oder eine Intrauterine Insemination (IUI) vornehmen: Zum Zeitpunkt des Eisprungs werden aufbereitete, "gewaschene" Spermien mit Hilfe eines Katheters direkt in die Gebärmutterhöhle übertragen.
Johanna Bergner
In-vitro-Fertilisation (IVF)
Die künstliche Befruchtung bezeichnet Verfahren, bei denen außerhalb des weiblichen Körpers Ei- und Samenzelle zusammengeführt werden. Dabei ist die IVF das bekannteste Schlagwort. Die IVF fängt mit einer Stimulation der Eizellreifung an. Natürlicherweise entsteht nur eine Eizelle pro Zyklus; durch Einnahme von Hormonen in verschiedenen Stadien des Zyklus wird die Bildung mehrerer Follikel angeregt. Die Reifung wird durch Ultraschall kontrolliert, der Eisprung wird medikamentös durch eine hCG-Injektion ausgelöst. Die Eizellen werden danach ambulant in einem operativen Eingriff entnommen (Ultraschallpunktion). Nun können sie mit dem Sperma des Mannes in einer Kulturflüssigkeit gemischt werden, die Befruchtung kann stattfinden. Um den 21. Tag des Zyklus ist es so weit: Die befruchtete Eizelle kann mit einem Katheter in die Gebärmutter übertragen werden.
Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)
Bis zu der Stelle, an der die Eizelle entnommen wird, läuft es genauso auch bei der Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI). Doch anstatt Eizellen und Sperma in einem Glas zu mischen, wird bei ICSI eine Eizelle unters Mikroskop gelegt. Direkt in die Eizelle wird eine einzelne Samenzelle injiziert. Diese Mikroinjektion wird gewählt, wenn die Spermienflüssigkeit wenig oder gar keine Samenzellen enthält. Dann werden aus den Hoden oder Nebenhoden Gewebeproben entfernt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Samenzellen enthalten (Verfahren abgekürzt TESE/MESA). Die Zahl dieser Spermien ist aber zu gering für eine normale Befruchtung, also muss das Eindringen des Spermiums in die Eizelle künstlich befördert werden.
Assisted Hatching
Die befruchtete Eizelle, nun Embryo genannt, muss aus seiner Hülle schlüpfen (Hatching), um in die Gebärmutterschleimhaut eindringen zu können. Dies kann besonders bei vorangegangener künstlicher Befruchtung etwas schwerer gehen. Sowohl bei der IVF als auch bei der ICSI kann dieser Vorgang unterstützt werden: Die Hülle wird meist durch ein Lasergerät angeritzt. Dieses Assisted Hatching wird oft auch gebraucht im folgenden Fall der künstlichen Befruchtung.
Kryokonservierung
Nachdem mehrere Eizellen herangezüchtet und dem Eierstock entnommen wurden, können einige nach der Befruchtung eingefroren werden. Das bietet die Möglichkeit, sie zu einem späteren Zeitpunkt zu verwenden. Es hat den Vorteil, dass Frauen nicht noch einmal vor der Schwangerschaft hormonelle Stimulation und Punktion durchlaufen müssen.
Gesunde Eizelle = gesunder Embryo?
Im Rahmen der künstlichen Befruchtung gibt es Möglichkeiten, erbliche Krankheiten festzustellen. Vor der Befruchtung kann die Polkörperdiagnostik (PKD) Informationen darüber geben, ob eventuelle Erbkrankheiten der Frau auf den Embryo übertragen würden; außerdem wird dadurch die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft erhöht und die einer Fehlgeburt gesenkt. In Deutschland ist das Heraussuchen der gesunden Eizellen legal, wird aber von Ethikern diskutiert.
Ebenso kann eine Präimplantationsdiagnostik (PID) durchgeführt werden. Dass eine Eizelle gesund ist, verspricht nicht automatisch einen gesunden Embryo. Nach der Befruchtung kann also das Erbgut des Embryos auf erbliche Erkrankungen und Chromosomenabweichungen untersucht werden. In Deutschland darf die PID allerdings nur unternommen werden, wenn ein hohes Risiko für eine erbliche Krankheit oder eine schwere Schädigung des Embryos besteht.
Beratung, Recht und Finanzen
In jeder Schwangerschaft kann es zu Problemen kommen; aber bei einer künstlichen Befruchtung sind die Risiken noch einmal höher. Bei Kinderwunschbehandlungen sind es statt 15 Prozent Fehlgeburten 20 bis 25 Prozent. Je älter die Mutter, desto höher das Gesundheitsrisiko. Bei der Stimulation der Eierstöcke kann es zu einer Überreizung kommen, was zu Flüssigkeitsansammlung und Blutgerinnsel führt. Aber auch seelische Belastungen müssen bedacht werden. Wie wirkt sich eine Kinderwunschbehandlung auf die Partnerschaft aus, welche Ängste hat man vor der Therapie, wie könnte ein Leben ganz ohne Kind aussehen?
Bei der künstlichen Befruchtung sind ethische, soziale und juristische Problematiken zu beachten. Dafür hat zum einen die Bundesärztekammer Richtlinien zur Durchführung derselben herausgegeben. Dazu gibt es das Embryonenschutzgesetz als rechtlichen Rahmen für Fortpflanzungsmedizin. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) stellt Broschüren bereit, die Inhalte reichen von allgemeinen Infos zur Fortpflanzung über Unfruchtbarkeit bis hin zu Möglichkeiten und Grenzen der Medizin. Außerdem gibt es eine Suchmaske für Beratungsstellen.
Bei einer IVF muss mit Kosten von etwa 2500 bis 4000 Euro gerechnet werden. Preise hängen von Kasse, Methoden und Behandlungszentrum ab. Gesetzliche Kassen haben bestimmte Auflagen, die erfüllt sein müssen; so ist zum Beispiel der Nachweis über eine vorhergehende Beratung Pflicht, das Paar muss verheiratet sein. Die Frau darf nicht älter als 40 sein. Auch private Kassen haben ihre Bedingungen. Bei drei Versuchen der IVF werden 50 Prozent der Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse mitgetragen. In der privaten Krankenversicherung gilt das Verursacherprinzip. Kann der privat versicherte Partner nachweisen, dass er/sie "Verursacher" der Kinderlosigkeit ist, kann die Kasse sämtliche Kosten übernehmen – es gibt aber bestimmte Voraussetzungen und Einzelfragen, die zum Teil nicht klar geregelt sind und in der Praxis zu Streitigkeiten führen können. Bei beiden Kassenarten wird in der Regel keine Samenübertragung von Spendersamen übernommen. Auch eine Kryokonservierung, Assisted Hatching und Polkörperdiagnostik müssen meistens selbst bezahlt werden. Wer in Mecklenburg-Vorpommern seinen Hauptwohnsitz hat, wird bei Erfüllung einiger Auflagen im vierten Zyklus der IVF mit bis zu 1600 Euro vom Land gefördert. Auch andere Bundesländer bieten eine Bezuschussung an.