chrismon: Sie sind selbst Lehrer. Warum halten Sie ein Handyverbot für sinnvoll?
Heinz-Peter Meidinger: Weil der Lernerfolg an Schulen mit Verbot signifikant höher ist, das ergab eine Studie der London School of Economics. Interessant ist: Vor allem schwächere Schüler profitieren davon. In Schweden gehen Schulen dazu über, das Handy auch in den Pausen zu untersagen. In deutschen Schulen dagegen sind etwa 90 Prozent der Handys ständig angeschaltet. Eine Dreiviertelstunde offline ist für manche Schüler der Weltuntergang.
Ist ein Verbot überhaupt zeitgemäß?
Klar gehört das Handy zu unserer digitalen Lebenswelt, Aber ein eingeschaltetes Handy vereinnahmt 30 Prozent der Aufmerksamkeit, die dann dem Lehrer fehlen – bislang ist der Schaden von Handys im Unterricht größer als ihr Nutzen.
Johannes Stuhrmann
Heinz-Peter Meidinger
Und wann ist das Handy im Unterricht nützlich?
Im Deutschunterricht etwa können Schüler Diskussionen aufzeichnen und danach analysieren. In Chemie können sie Experimente filmen und in Physik Schwingungen und Temperaturen messen. Ist der Versuch zu Ende, machen die Schüler aber leider ganz andere Dinge damit.
Zum Beispiel andere ärgern?
Auch. Mobbing findet nicht mehr im Schulbus, sondern über Messaging-Dienste statt. Außerdem werden in den Pausen Videos mit pornografischem Inhalt gezeigt und Mitschüler gefilmt. Wer nicht in den relevanten Chatgruppen ist, wird ausgegrenzt.
Wie lernen Schüler, damit richtig umzugehen?
Medienerziehung ist wichtig und zwar in allen Fächern. In Geschichte etwa lernen Schüler News von Fake News zu unterscheiden. Zusätzlich kommen Polizei und Sozialarbeiter in die Schule und klären über Risiken des Internets auf. Aber auch die Eltern können mithelfen, den Kinden einen selbstbestimmten Umgang mit dem Handy beizubringen.
Wie etwa?
Zum Beispiel über Handyfasten. Zusammen mit den Eltern vereinbart die Klasse, eine Woche auf das Handy zu verzichten. Die Eltern sammeln die Geräte ein und machen idealerweise mit. Nach der Woche erzählen die Schüler, wie sie diese handyfreie Zeit erlebt haben.
Und?
Sie stellen fest: Bei Tisch unterhält man sich wieder. Plötzlich entstehen Freizeiten und man tut das, was man schon lange machen wollte – nur weil man nicht ständig seine Nachrichten checken muss.