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Der Platz war ideal. Amanda Kraus, 29, wohnt in einer WG in der Leipziger Südstadt, direkt gegenüber der Peterskirche. Von ihrem Fenster aus blickt die Sozialarbeiterin auf die rundgepflasterte Freifläche vor dem imposanten neugotische n Bau. "Ich sehe uns da noch sitzen!", sagt sie.Am 17. Juni 2017 feierte sie hier den "Tag der Offenen Gesellschaft". Die gleichnamige Bürgerinitiative und die Diakonie Deutschland hatten ihn ausgerufen und aufgefordert: Geht nach draußen, stellt lange Tafeln auf, redet miteinander!
Feiern mit politischem Hintergrund also: "Heute wollen manche zurück zu einer geschlossenen Gesellschaft. Grenzen zumachen. Fremde ausgrenzen. Wir denken anders – und das möchten wir zeigen", sagt Mascha Roth, Mitglied der Initiative, zu der auch der bekannte Soziologe Harald Welzer gehört.Amanda Kraus gefiel die Idee – und sie wollte ihre Nachbarn gern mal kennenlernen. Zu der Gemeinde der Peterskirche hatte sie keinen Kontakt, jetzt klingelte sie kurzerhand dort. Was man davon hielt, gemeinsam auf dem Vorplatz zu feiern? "Das Pfarrehepaar war wahnsinnig nett. Die waren gleich dabei."
Hanna Lucassen
Die Gemeinde lieferte die Hardware: Biertische, Bänke, Geschirr, Besteck. Und ein paar Getränkekisten. Die "Offene Gesellschaft" schickte ein Paket mit Papiertischdecken, Plakaten, Karten mit "Impulsfragen" wie: "Was müsste sich in der Gesellschaft ändern, damit mehr Menschen mehr Glück erleben?" Außerdem über hundert Einladungskarten, die Amanda Kraus in Briefkästen warf und in Cafés auslegte. "Ich schrieb, dass Beiträge zum Büfett willkommen seien. Wir hatten ja keine Ahnung, wie viele kommen würden." Laut Organisatoren kamen deutschlandweit 20 000 Teilnehmer an rund 450 Tafeln zusammen "Bei der kleinsten waren zwei, bei der größten 2000 Gäste", sagt Mascha Roth. Gefeiert werde ab sofort immer am dritten Samstag im Juni, in diesem Jahr ist das der 16. Juni – ein Tag vor dem ersten Deutschlandspiel der Fußball-WM.
Was ist anders als bei anderen Nachbarschaftsfesten? "Ich wäre mit Fremden nie so schnell auf politische Themen gekommen", sagt Amanda Kraus. "Zwischen syrischem Gebäck und italienischem Nudelsalat redeten wir über das Grundeinkommen, die Flucht nach Europa und darüber, welches Land wir eigentlich sein wollen." Von 17 bis 21 Uhr ging die Feier vor der Peterskirche, etwa 40 Leute seien gekommen, die meisten Bekannte. Kein offizielles Programm, keine Ansprachen, aber drei junge Musiker spielten Gitarre in der Abendsonne. "Und dann", erzählt Amanda Kraus, "gab es diesen wunderbaren Moment, als die Kinder die Musikanlage übernahmen, Charts von heute einstellten, und wir alle anfingen, zu tanzen."
Offene Gesellschaft e.V. ist eine Initiative, die pro-demokratische Projekte uind Aktionen fördert und selbst auf die Beine stellt.
Adresse: Franklinstr. 27, 10587 Berlin, Tel: 030-555 794 550, Mail: freunde@die-offene-gesellschaft.de