Eine Schule ohne Respekt kann nicht funktionieren. Die Leitung der Paul-Simmel-Grundschule in Berlin-Tempelhof versucht seit geraumer Zeit, Worte dafür zu finden, warum muslimische Schüler eine jüdische Mitschülerin aus der 2. Klasse beschimpft und gedemütigt haben. Angeblich sollen die Jungen dem Mädchen damit gedroht haben, es umzubringen, da es nicht an Allah glaube. Der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin sieht diesen Vorfall als ein Beispiel für viele. Und aus der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland ist zu hören, Ähnliches passiere "praktisch jede Woche".
Eduard Kopp
Wenn dies tatsächlich so stimmt, ist es ein Alarmzeichen. Grundschulen können sich ihre Schüler nicht aussuchen. Viele Kinder dort haben, wie der Tempelhofer Schulleiter betont, vor der Einschulung keine Kita besucht (das haben – nebenbei bemerkt – Unionspolitikerinnen und -politiker mit ihrer "Herdprämie" ja so gewollt, zumindest in Kauf genommen). Die Folge: Viele Mädchen und Jungen treffen in der Grundschule zum allerersten Mal auf Kinder aus anderen Kulturen. Das überfordert sie.
Pädagogische Interventionen und konsequente Sanktionen
Was muss sich ändern? Lehrer, Schulleiter, Schulbehörden müssen noch konsequenter tun, was sie bereits engagiert versuchen: Zwischenfälle aufarbeiten, muslimische Eltern, die in der Erziehung ihrer Kinder oft "abwesend" sind, konsequenter einbeziehen. Das gilt ebenfalls für die muslimischen Gemeinden und die Verbände. Oft helfen pädagogische "Verträge" zwischen Schule, Kindern und Eltern, Respektlosigkeit und Gewalt zu begrenzen. Wenn pädagogische Interventionen nicht helfen, dann folgen als Nächstes konsequente Sanktionen. Mittel gegen Intoleranz gibt es ja: Klassenkonferenzen, auferlegte Sozialstunden, Unterrichtsausschluss, Einbeziehung der Schulbehörde, je nach Alter auch der Polizei und des Jugendgerichts.
Aber das Allerwichtigste ist: Statt emotionstriefender Politikerforderungen nach einer Antisemitismuskartei benötigen die Schulen mehr personelle und ideelle Unterstützung. Respektlosigkeiten und Verletzungen der Toleranz können Lehrerinnen und Lehrer nicht mal so neben dem oder im regulären Unterricht aufarbeiten. Es mangelt an Schulsozialarbeitern, an Lehrern, an Dometschern, aber nicht an Schlagzeilen.
Erinnerungskultur
Nie wieder! Und doch nehmen in Deutschland Rassismus und Antisemitismus wieder zu. An die Opfer des NS-Regimes erinnern - wie geht das, wenn bald keine Zeitzeugen mehr leben?