Schon seit 1947 erinnert die Stadt Flörsheim am Main an die unter den Nazis ermordeten Juden – mit dem Erhalt des jüdischen Friedhofs, mit einer Gedenktafel in der Synagogengasse und 33 Einzeltafeln mit Angaben über jedes der Opfer. Ausgerechnet die Flörsheimer haben sich lange gegen Stolpersteine im Pflaster gesperrt.
chrismon: Was spricht gegen Stolpersteine?
Werner Schiele: Die Stadt lehnte sie bislang als unwürdig ab. Man tritt nicht auf ein Grabmal. Es gab früher einen Ausruf beim Stolpern: "Hier ist ein Jude begraben." Im 1. Korintherbrief steht, dass der gekreuzigte Christus ein Stolperstein für die Juden sei. Das heißt, dass Juden die falsche Religion hätten und sich taufen lassen müssten. Ich glaube nicht, dass sich der Künstler Gunter Demnig über diese Stelle des Neuen Testaments Gedanken gemacht hat, als er die Stolpersteine ersann.
Werner Schiele
Was hat sich daran geändert, dass Flörsheim sie seit kurzem nun doch verlegen will?
Nichts. Im Frühjahr 2017 fragte mich eine Gruppierung, ob ich bei einer Stolpersteinaktion mitmachen wolle. Der Anrufer schien sehr wenige Kenntnisse zu haben über die Vorgeschichte des Erinnerns. Ich teilte ihm meine Bedenken mit. Dennoch beantragte kurz danach die Wählergemeinschaft "Die Freien Bürger" die Verlegung. Und im Herbst 2017 hat sich ein Stolpersteinverein gegründet.
Der Verein will auch an Nichtjuden erinnern.
Ja. Aber ich weiß von keinen Sinti oder Roma oder verfolgten Homosexuellen, die hier lebten.
Und er will das Gedenken aus der Synagogengasse in die ganze Stadt holen.
Stolpersteine erinnern an den letzten selbst gewählten Wohnort. Doch nur acht Juden wurden von Flörsheim aus deportiert. Die anderen 25 wurden im Exil aufgegriffen. In der Synagogengasse wird aller 33 gedacht, auch wenn sie nur vorübergehend in Flörsheim lebten.