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Sieben Jahre war er hier nicht mehr oben. Gespannt steigt der 77-jährige Ingolf Grabow die steilen Stufen im Glockenturm der Frankfurter St.-Bartholomäus-Kirche hoch. Der alte Herr mit der grauen Wollmütze über dem wettergegerbten Gesicht könnte auch als norddeutscher Fischer durchgehen, Grabows Leidenschaft gehört aber den Tieren der Luft. Als Mitglied des Naturschutzbundes (NABU) kümmert er sich um den Vogelbestand in seiner Stadt. In zehn Frankfurter Kirchtürmen hat er Nistkästen eingebaut, so wie hier in St. Bartholomäus im Stadtteil Zeilsheim. Für Schleiereulen oder Turmfalken, Mauersegler oder Dohlen – alles Vogelarten, die hoch gelegene Nistplätze bevorzugen, aber in der Natur immer weniger geeignete Bruthöhlen finden, etwa in alten Bäumen.
Es ist ein regnerischer Tag im Vorfrühling, der Wind pfeift um den Turm, als Grabow – kein bisschen aus der Puste – am Ende der Stufen angekommen ist. Er öffnet die Deckenluke, zieht die Leiter herunter und steigt die Sprossen hinauf in den dämmerigen Dachraum. Vier Glocken hängen da – und an der Wand ein Holzkasten. Grabow öffnet die Klappe, tastet hinein und ist erleichtert: Die Kästen wurden genutzt, das ist das Wichtigste. Allerdings ist ungewöhnlich viel Stroh drin. Deshalb tippt er auf Haussperlinge, also Spatzen. "Das ist okay. Dadurch werden auch seltenere Vögel aufmerksam auf die neuen Brutplätze", sagt Grabow. Außerdem freue er sich über alle Vögel. Ja, auch über Tauben! Die als "Ratten der Lüfte" verschrienen Tiere sind der Grund, warum manche Kirchengemeinden keine Nistkästen wollen – oder die vorhandenen zumachen und damit alle Vögel aussperren. Weil Tauben Dreck machen. "Übertriebener Sauberkeitswahn", findet Grabow. "Was ist denn schlimmer: ein bisschen Vogelkot oder ein Frühling ohne Gezwitscher?"
Kirchengemeinden in der Pflicht
Überhaupt ärgert es ihn, dass die Menschen ihre Umwelt so sauber und eintönig gestalten, dass das Leben daraus entweiche: verputzte Mauern, Gärten mit nichts als Rasen, Monokulturen in der Landwirtschaft. Für Vögel wird das Überleben immer schwieriger. Gerade Kirchengemeinden sieht Grabow in der Pflicht, sich für "alle Geschöpfe Gottes" einzusetzen. Über Jahrhunderte hätten Kirchtürme Fledermäuse und Vögel jeglicher Art beheimatet. Bis man in den 50er Jahren begonnen habe, alle Einfluglöcher zu vergittern und bei Sanierungen auch die letzten Mauernischen zu schließen. "Ein belebter Kirchturm bringt uns den Himmel näher", findet Grabow.
Wer partout keine Tauben wolle, dem verrät er dann doch einen Trick: "Tauschen Sie die Taubeneier in den Nistkästen mit künstlichen Eiern aus. Dann verziehen sich die Vogeleltern." Und auch brütende Dohlen halten Tauben vom Landen ab.
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) berät und unterstützt mit der Aktion "Lebensraum Kirchturm" Gemeinden in ganz Deutschland, die ihren Kirchturm für Vögel oder Fledermäuse öffnen wollen.
Infos und Ansprechpartner vor Ort:
NABU
Charitéstraße 3
10017 Berlin
Telefon 030/284984-0
E-Mail: Lebensraum-Kirchturm@nabu.de
www.nabu.de/lebensraum-kirchturm