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Neulich in Innsbruck. Nennt mich eine alte Kitschnudel, aber ich hätte stundenlang am Inn sitzen können und diese Berge angucken. Patscherkofel. Kleiner Solstein. Rumer Spitze. Ehrfurcht einflößend. Majestätisch. Aber dann fiel mir dieses lokale Touristikmagazin in die Hände – und ich bekam Angst. Der Berg an sich bringts nicht mehr, stand da, wörtlich: „Wir müssen den Berg jedes Jahr neu erfinden, um ihn immer wieder spannend zu machen.“ Dahinter steckt der „Trend zum kurzen, aber intensiven Erlebnis“, so der Geschäftsführer der Bergbahn Ellmau. An der Gondel, bestätigt der Geschäftsführer des Tourismusverbands, kaufe man sich künftig „die Eintrittskarte in eine Erlebniswelt“.
Und in diesen Erlebniswelten der Alpen ist aus dem Berg längst ein „Aktivberg“ geworden, den man „besiegen“ muss – allerdings: „Der Gipfelsieg wird mit zwei hochmodernen Gondelbahnen leicht und bequem.“ Bloß keine echte Anstrengung mit Schweiß und Blasen am Fuß. Er tat mir jetzt ein bisschen leid, der Berg. Was machen die mit dem? Und hatte der liebe Gott am sechsten Tag der Schöpfung – oder wars der fünfte? – den Berg nicht doch recht prächtig erfunden? Warum dann jedes Jahr neu erfinden? Apropos. „Oben angekommen, finden Sie das höchste Gotteshaus Österreichs“, das stand auch noch im Prospekt der Bergwelt Ellmau in Tirol. Sehr bedauerlich, dass sie noch keine Hochleistungs-Zehnergondel in die Erlebniswelt Himmel gebaut haben...
Ach ja, bald ist da oben wahrscheinlich der einzig friedliche Ort ohne Eventcharakter. Bis dahin scheinen Friedhöfe die letzten Refugien von Ruhe und Natur zu sein. Meine Kollegin Christine Holch hat sich auf dem Frankfurter Hauptfriedhof, in Bremen, Karlsruhe und Bergisch Gladbach umgeschaut (ab Seite 34): Der Trend geht zur naturnahen Bestattung. Und obwohl auch dort das Erlebnis Einzug hält – vom Fußball auf dem Grabstein bis zum Wildapfellehrpfad neben der Kapelle – sind viele Friedhöfe heute das letzte ruhige Idyll in der Stadt. Schon beim Lesen übrigens wird man ganz still. Friedlichen Spätsommer!