Am Nachmittag des 8. März haben die Frauen hier frei. Es ist Internationaler Frauentag, und China als sozialistisches Land hat sich das Thema Gleichberechtigung auf die Fahnen geschrieben. Mit Chinesinnen kann ich allerdings lachen über die Verheißung, mit der Mao Tse-tung immer zitiert wird, dass Frauen die Hälfte des Himmels tragen. „In der Tat waren und sind die meisten Frauen in China erwerbstätig“, kommentierte die Professorin Li Xiaojiang einmal, „doch das heißt keineswegs, dass sie gleiche Karrierechancen haben.“ Hausarbeit und Kinderversorgung bleiben ohnehin Frauensache.
Im China der Kaiserzeit waren Frauen aus vornehmen Familien an ihren gebundenen sogenannten Lilienfüßen zu erkennen: Eine angesehene Frau musste und durfte nicht auf eigenen Füßen stehen.
Das ist zum Glück vorbei. Doch bis heute prägt das konfuzianische, streng patriarchal geordnete Rollenverständnis die Geschlechterbeziehungen. Frauen haben heute jung, schlank, attraktiv und unterwürfig zu sein. In Seminaren können sie lernen, wie sie Männer dazu bringen, sie zu heiraten. Die chinatypisch differenzierte Begrifflichkeit spricht Bände: Wenn eine Frau heiratet, so wird sie „aus dem heimatlichen Haus geholt“, der Mann dagegen „bringt eine Frau nach Hause“.
Ein Problem sickert erst langsam in das öffentliche Bewusstsein: Gewalt gegen Frauen. Frauenrechtlerinnen arbeiten mittlerweile mit Regierungsstellen und dem offiziellen Frauenverband zusammen, um Opfern besser helfen zu können.
Ein besonderes Tabu: die häusliche Gewalt. Innerhalb der sozialistischen, also gleichberechtigten Ehe gab es dieses Problem offiziell gar nicht. Und heute darf es offenbar nur unter der Schirmherrschaft der Partei thematisiert werden. Fünf Aktivistinnen, die im März 2015 in Peking Flugblätter dazu verteilen wollten, wurden festgenommen. Das war am Internationalen Frauentag.