Offener Mittagstisch in der Auslandsgemeinde
Besucher beim offenen Mittagstisch in der Auslandsgemeinde
Foto: Ulrike Weber
Die wartenden Frauen
Viele Einzelschicksale lernt Ulrike Weber zurzeit kennen. Nicht für alle gibt es ein Happy End
Foto: Privat
20.07.2016

Seit die Balkanroute geschlossen ist, kriegen wir jede Woche mehrere Anfragen aus Deutschland. „Herr X, ein Flüchtling aus Syrien, sucht seine Frau und Kinder, sie hängen in Nordgriechenland fest.“ Oder: „Der sechzehnjährige Bruder von Frau Y muss irgendwo bei euch gestrandet sein.“ Hilfsorganisationen für Flüchtlinge oder engagierte Privatpersonen bitten so um unsere Hilfe. Manche wollen Geld schicken, damit wir für die Gesuchten einen Flug buchen können.

###autor###So einfach ist es leider nie. Aber wir antworten allen und fragen zuerst nach der Handynummer des Gesuchten, das ist das Wichtigste. Die syrische Ehefrau haben wir so gefunden, wir erreichten sie mitten im Chaos des inzwischen aufgelösten Zeltcamps Idomeni an der mazedonischen Grenze. Wir boten ihr an, nach Thessaloniki zu kommen. Das sind gut 80 Kilometer, es fährt ein Bus, und sie hatte etwas Geld. Hier in der Stadt konnten wir die Familie in einer kleinen Wohnung unterbringen, leider nur für 14 Tage. Jetzt lebt sie in einem der riesigen Auffanglager, die mittlerweile Nordgriechenland wie ein Netz überziehen. Aber jeden Donnerstag sehen wir die junge Frau, da besucht sie mit den beiden Kindern den offenen Mittagstisch unserer Gemeinde und bespricht mit der Sozialarbeiterin, was sie tun kann, um ihrem Mann nach Deutschland nachreisen zu dürfen.

Hier sind unzählige Frauen, denen es ebenso geht wie ihr. Viele, so höre ich aus den Camps, sind kraftlos und depressiv geworden ob der Warterei und Ungewissheit. „Unsere“ Syrerin ist noch  voller Hoffnung. Demnächst muss sie zur deutschen Botschaft ins 500 Kilometer entfernte  Athen fahren, Papiere beantragen. Sie wird den Zug nehmen.

Den Sechzehnjährigen übrigens haben wir auch gefunden. Aber er wird vorerst keine Chance haben, zu seiner Schwester nach Deutschland zu kommen. Familienzusammenführung gibt es nur für Eltern und Kinder, nicht für Geschwister. Die Eltern der beiden aber sind tot. Der Junge war zwischenzeitlich in der Polizeistation untergebracht. Für allein reisende Minderjährige gibt es in Griechenland kaum Unter­künfte. Die Bevölkerung ist hier ­weiter sehr hilfsbereit, aber der Staat ist heillos überfordert.

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