Ulrike Weber
###drp|RZUE6BrLniGmUO8SH0rs7lyj00110677|i-38||### Weber, Auslandspfarrerin in Thessaloniki, schrieb diesen Text kurz vor Redaktionsschluss am 15. Juli. evkithes.net
Die Armut ist vielen Menschen näher gerückt. Ich fahre jeden Morgen mit dem Bus in die Gemeinde. Da sehe ich die Frauen in Kleidern, die immer wieder sorgsam geflickt und gestopft wurden, und Schulkinder mit ausgebesserten Rucksäcken. Im Foyer unserer Gemeindewohnung haben wir in der Ecke einen Korb stehen. Wer einkaufen war, legt etwas hinein, ein Paket Nudeln, ein Paket Kaffee. Die Wohnung liegt in der ersten Etage eines achtstöckigen Hauses an einer Geschäftsstraße. Im Erdgeschoss ist ein Café. Hier gehen viele ein und aus: Gemeindemitglieder, Menschen, die zu unserer Sozialarbeiterin wollen oder die mit mir sprechen möchten. Unsere deutschsprachige Gemeinde hat rund 300 Mitglieder. Die Frauen sind alle mit griechischen Männern verheiratet, manche leben seit Jahrzehnten hier. Sie leiden unter der Krise, auch die, denen es früher ausgesprochen gut ging. Oft verbergen sie es. Sogenannte Expats, die vorübergehend in Griechenland leben und arbeiten, sind kaum noch unter ihnen. Die sind nach Deutschland zurückgegangen, es engagieren sich ja immer weniger Firmen hier.
Keiner weiß, was morgen ist und welche Gesetze übermorgen gelten. Ein Bekannter etwa wollte sich selbstständig machen. Und wir als Gemeinde würden gern einen Secondhandladen einrichten. Aber alle zögern, verharren im Stillstand. Die Ängste und Sorgen sind groß. Neulich im Gottesdienst sprachen wir über die Geschichte vom verlorenen Sohn. Da kam die Frage auf: „Wer breitet für Griechenland die Arme aus?“
Nach der Einigung in Brüssel gibt es jetzt erst einmal ein Aufatmen. Das Schlimmste ist abgewendet. Aber wie wird es im Alltag sein, wenn die Reformvorschläge umgesetzt werden? Wir werden in der Gemeinde weiterhin Hilfe anbieten und füreinander da sein.