Zu erwarten und dennoch in Form und Sprache unglaublich war die Reaktion des türkischen Präsidenten Erdoğan, vor allem gegen das Dutzend Bundestagsabgeordneter türkischer Herkunft. Die Beschimpften seien der „verlängerte Arm“ der kurdischen Terrororganisation PKK. Historisch schwachsinnig: Denn die Gewalt vor 100 Jahren resultierte aus kurdisch-armenischen Konflikten. In Sprache und Denkweise katastrophal: „Sie haben nichts mit Türkentum gemein. Ihr Blut ist schließlich verdorben.“
Lammert und Schulz haben richtig gehandelt
Es gibt für einen Bundesbürger nicht so oft Anlass, dankbar für ein öffentliches Statement zu sein, wie nach der Antwort von Bundestagspräsident Norbert Lammert auf Erdoğan. Lammerts Wort, wer einzelne Abgeordnete in dieser Weise beleidige und herabwürdige, treffe das gesamte Parlament, war symbolhaft für bundesdeutsche Identität. Deutschland ist ein Rechtsstaat in Freiheit und Vielfalt. Und er ruht auf einem Grundsatz, der im Gehirn eines Erdoğan nicht existiert: Gewaltenteilung zwischen Legislative (Parlament), Exekutive (Regierung) und Judikative (Rechtsprechung).
Genau dies alles hält der türkische Präsident für westlich-dekadenten Blödsinn, den es abzuwehren gilt. Und im Umgang mit dem Parlament im eigenen Staat hat er die Worte längst mit Taten unterfüttert. Europa darf dies nicht hinnehmen. Wie Lammert hat dies, Gott sei Dank, auch Martin Schulz, Präsident des Europaparlaments, deutlich gemacht – in einem Brief an Erdoğan. Richtig, selbst wenn der Empfänger den Brief in die Tonne wirft.