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Neulich auf einem Journalistentag meiner Gewerkschaft. Es ging, worum es jetzt immer geht, wenn Medienleute Ü30 sich in einem geschlossenen Raum treffen und Filterkaffee aus Plastikkannen trinken: um die Digitalisierung, das drohende Ende der gedruckten Zeitung und die neuen Kollegen, die nicht mehr in einem Raum sitzen, sondern nur noch mit einem koffeinhaltigen Heißgetränk to go twittern. Diese jungen Leute, sagte eine Genossin wehmütig, verfügten über ganz neue Kulturtechniken, da könnten wir gar nicht mehr mithalten. Es ist mir deshalb aufgefallen, weil die Kollegin so leise ins Mikrofon sprach, dass ich dachte: Die Kulturtechnik „Sprechen“ wäre schon mal ein Schritt in die richtige Richtung!
Aber nein, um so banale Fertigkeiten ging es natürlich nicht. Die Jungen, wurde vermutet, hätten auch mehr „digitale Empathie“ und was es da noch so gibt an Teufelszeug, was wir uns in unserer verbleibenden Berufszeit gar nicht mehr draufschaffen können. Und deshalb beleidigt, weil digital unkultiviert, in der Ecke hocken bleiben.
Was ist das eigentlich, eine Kulturtechnik? Der Duden sagt: im Ursinn die Urbarmachung des Bodens, außerdem Feuermachen, Wasserbau. Im modernen Sinn die Fähigkeit, sich Kultur anzueignen und weiterzugeben, also Lesen, Schreiben, Rechnen. Nun schwadroniert jeder Bildungsplan, wir alle müssten ganz neue Kulturtechniken lernen. Ich glaube das nicht. Ich bin unbedingt für Medienerziehung. Aber so unerheblich es ist, mit welchem Feuer oder welcher Kapsel der Kaffee gebrüht ist – genauso egal ist mir, ob die Empathie analog oder digital ist. Gute Journalisten müssen klar reden, zuhören, sich einfühlen, verständlich schreiben. Damit lässt sich auch in rasanten Medienzeiten gut überleben. Zu alt für neue Kulturtechniken? Halte ich für eine Ausrede. Wer sich mit dem neuen Medienkram befassen will, kriegt ihn auch in ältere Synapsen reingedrechselt. Alles andere ist eine Schutzbehauptung.