chrismon: Sie haben einen eigenen Verlag gegründet, damit Ihr Buch erscheinen konnte. Warum?
Matthias Holland-Letz: Ich habe das Buchkonzept an eine Sachbuch-Agentin übergeben. Sie hörte viel Lob, aber kein Verlag griff zu. Viele Verlage sind ja auch eng mit Stiftungen verknüpft.
Der Untertitel Ihres Buches heißt: „Wie Reiche und Unternehmen durch gemeinnützige Stiftungen noch mächtiger werden.“ Aber schauen Sie sich etwa die evangelische Stiftung „KiBa“ an, die seit 1999 28,8 Millionen Euro ausgegeben hat, um Kirchen zu erhalten. Das ist doch ein Beispiel dafür, dass Stiftungen helfen!
Viele Stiftungen tun Gutes, in der Restaurierung von Kirchen kann ich einen Sinn für das Gemeinwesen erkennen. Aber wir müssen diskutieren, was es bedeutet, dass es 1999 nur 8000 Stiftungen gab – heute aber mehr als 20 000.
Warum ist das so?
Die Regierung Schröder wollte einen Stiftungsboom, um die Zivilgesellschaft zu stärken. Dafür änderte Rot-Grün die Steuergesetze. Die Regierung Merkel knüpfte daran an. Wer eine Million Euro in eine als gemeinnützig anerkannte Stiftung steckt, bekommt fast die Hälfte vom Fiskus zurück. Zwischen 2009 und 2011, so eine Schätzung der Bundesregierung, mussten Bund, Länder und Kommunen jährlich auf 450 Millionen Euro verzichten, und diese Einnahmeverluste waren nur die Folge einer einzigen Gesetzesänderung. Derer gab es viele. In der Summe kostet diese steuerliche Förderung Milliarden.
Stiftungen arbeiten mit diesem Geld effizienter als der Staat!
Und warum kann sich der Staat nicht richtig kümmern? Weil er die Mittel dafür nicht hat! Viele Steuererleichterungen haben Reiche reicher gemacht. In Deutschland verfügt das reichste Prozent mittlerweile über 24 Prozent des Gesamtvermögens. Dabei gibt es viele Stiftungen, deren Projekte fehlschlagen oder die parallel an ähnlichen Zwecken arbeiten, ohne sich abzusprechen. Das ist alles andere als klug eingesetztes Geld. Und wenn eine Stiftung schlecht wirtschaftet, hat die Öffentlichkeit keine Möglichkeit, darauf zu reagieren. Sie können als Bürger einen Stiftungsvorstand nicht abwählen – eine Regierung schon.
"Ich würde die steuerliche Förderung von Stiftungen zurückfahren"
Wenn Reiche reicher werden, können sie ja noch mehr stiften!
Wer Stifter wird, fördert das, was er persönlich für richtig hält. Reiche vergrößern ihr Netzwerk, dadurch steigt ihr Einfluss. Angenommen, ein Unternehmer gründet eine Stiftung: Die örtlichen Vereine, die Schulen – alle werden ihn in der Hoffnung auf Förderung hofieren. Hinzu kommt, dass Stiftungen Privilegien genießen, aber wenige Pflichten erfüllen müssen. Sie müssen etwa ihre Einnahmen und Ausgaben nicht veröffentlichen. Das ist intransparent, gerade mit Blick auf Großstiftungen, die viel Einfluss ausüben.
Zum Beispiel?
Die gemeinnützige Kühne-Stiftung des Logistikunternehmers Klaus-Michael Kühne mit Sitz in der Schweiz ist auch in Deutschland tätig. 50 Prozent der Fördergelder gehen an Einrichtungen, die Logistikfachleute ausbilden. Es liegt auf der Hand, dass das Transportunternehmen „Kühne + Nagel“ von der Stiftungsarbeit profitiert. Die Bertelsmann Stiftung setzt sich für digitale Bildung an Schulen ein und beeinflusst damit einen potenziellen Milliardenmarkt, auf dem das Unternehmen Bertelsmann erklärtermaßen Geld verdienen möchte. Ist das gemeinnützig?
Es gibt aber nicht nur diese Großen, sondern auch Kleinstiftungen. Sie leiden unter den niedrigen Zinsen.
Bei einer Rendite von einem Prozent auf ein Stiftungsvermögen von 200 000 Euro sind keine großen Sprünge möglich, klar. Die Förderungen sind ja nur möglich aus den Erträgen des gestifteten Kapitals. Das Stiftungskapital liegt quasi brach. Auch innerhalb des Stiftungswesens gibt es deshalb Forderungen nach Verbrauchsstiftungen, die das Vermögen aufbrauchen dürfen und es so wieder in den Wirtschaftskreislauf einbringen können.
Was meinen Sie: Wie sollte man das Stiftungswesen regeln?
Ich würde die steuerliche Förderung von Stiftungen zurückfahren. Wichtig ist Transparenz: Jahresberichte, Einnahmen, Ausgaben und Infos über die Vertreter in den Gremien müssen Pflicht sein. Großbritannien, ein Land mit wirtschaftsliberaler Tradition, hat eine „Charity Commission“, die gemeinnützige Einrichtungen kontrolliert. In Deutschland entscheidet im Zweifel ein einzelner Finanzbeamter am Sitz der Stiftung, ob eine millionenschwere Unternehmensstiftung die Kriterien der Gemeinnützigkeit erfüllt.