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Die Orgel setzt ein, da huschen noch etliche Gottesdienstbesucher rein. Viele Hannoveraner kommen erst Schlag zehn in ihre Marktkirche. Ebenso viele verschwinden wieder vorm Abendmahl. Dabei ist die Kirche so behaglich. Kunst rechts und links am roten Mauerwerk, vorne leuchtet der Altar goldgelb. Hier hält man es auch länger als die eine Stunde am Sonntagmorgen aus.
Und man bekommt starke Prediger zu hören. Heute: Hans-Peter Daub, Vorstand der Dachstiftung Diakonie und des Stephansstifts in Hannover. Thema: Das Böse mit Gutem überwinden. Predigteröffnung: „Wir schaffen das.“ Der Diakoniechef, der Flüchtlinge auf Wohnungen verteilen muss, lobt diesen Satz der Kanzlerin.
Bibellesungen für diesen Sonntag sind Jesu radikales Gebot der Feindesliebe und die biblische Erzählung, wie sich Abrahams und Lots Wege trennen: „Es war Streit unter ihren Hirten. Das Land konnte es nicht ertragen, dass sie beieinander wohnten. Da sprach Abraham zu Lot: Lass doch nicht Zank sein zwischen mir und dir, denn wir sind Brüder, und das Land ist weit.“ Daub arbeitet Parallelen zwischen Bibel und Gegenwart heraus: den Zank unter Geschwistern, das weite Land, das Platz für alle bietet. „Gib dem, der dich bittet“, zitiert Daub das Gebot Jesu. „Hier muss man gehorchen“, ergänzt er mit einem Zitat des Theologen Dietrich Bonhoeffer.
Abendmahlsliturgie mit schönem Timbre
Dass Politik und Verwaltung jetzt viel Energie darauf verwenden, Menschen vom Balkan auszuweisen, empört Daub. Lieber solle man sich darauf konzentrieren, die syrischen Flüchtlinge zu versorgen. Biblisch gesehen sei Deutschland ohnehin nicht „unser“ Land, es sei ein uns von Gott anvertrautes Land. „De Maizière ist auch ein Flüchtlingsname“, sagt Daub, „von Hugenotten, die dieses Land bereichert haben.“
Dem syrischen Bürgerkrieg sei eine fünfjährige Dürre vorausgegangen, die viele Menschen in die Städte trieb. Innersyrische Verteilungskämpfe aufgrund der Klimaerwärmung hätten zur jetzigen Katastrophe beigetragen.
Daub singt die Abendmahlsliturgie. Sein schönes Timbre erfüllt die ganze Kirche. Bonhoeffer hatte während der Judenverfolgung im Nationalsozialismus gemahnt: „Wer nicht für die Juden schreit, darf nicht Gregorianisch singen.“ Nach dieser Predigt darf Daub das. Wenn bloß die Melodie des Vaterunsers auf dem Begleitzettel abgedruckt wäre. Dann könnten auch die ortsfremden Gottesdienstbesucher an dieser Stelle korrekt einstimmen.
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