Im Vertrauen: Susanne Breit-Keßler
Susanne Breit-Keßler ist Münchner Regionalbischöfin.
Monika Höfler
Weihnachten war nie eine Idylle
Aber ein Fest, an dem der Himmel auf die Erde kommt. Und wir feiern. Mit oder ohne Flüchtlinge
26.11.2015

„Bei mir fällt Weihnachten dieses Jahr aus“, sagt Andreas. „Die Bilder von Flüchtlingen jeden Tag, wie sie aus dem Wasser gezogen werden, durch Dreck waten – das zerreißt mir das Herz. Ich kann einfach nicht.“ Sophie schüttelt den Kopf. „Das hilft den Menschen auch nichts, wenn du auf deine Freude verzichtest. Ich denke gar nicht dran, unseren Kindern Weihnachten zu vermiesen.“ Kathrin meint: „Wir machen es weniger aufwendig. Es muss ja nicht immer so ein Auftrieb sein!“ Viele Menschen fragen sich, ob sie angesichts des Flüchtlingselends einfach so Weihnachten feiern können. Darf man wohlig bei Gans, Karpfen oder Würstchen sitzen, wenn andere zu Tausenden in Erstaufnahmeeinrichtungen hocken? Ist es anständig, sich durch Geschenkeberge zu wühlen, wenn Kinder in Deutschland ankommen, die außer ihrem Anorak und einer Strumpfhose nichts am Leib tragen?

Weihnachten soll man feiern - auch in Zeiten des Flüchtlingselends, findet Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler. Dennoch solle man seinen Kindern erklären, dass es anderen zur Weihnachtszeit nicht so gut geht.
Auf jeden Fall ist es richtig, sich diese Frage zu stellen. Denn damit ist klar, dass die Not derer, die in unserem Land Zuflucht suchen, nicht spurlos an einem vorübergeht. Und dass man den Sinn der Weihnachtsgeschichte verstanden hat. Sie spielt sich nicht in einem geheizten Wohnzimmer ab, das mit Christbaum und Lichterketten festlich dekoriert ist. Die Heilige Nacht findet in einem miefigen Stall statt, in dem auch Tiere leben. Zwischen Heu und piksigem Stroh, unter einem zugigen Dach. Mit einer sicher denkbar einfachen Brotzeit. Nach Weihnachten dann muss die Heilige Familie sich schleunigst wegducken und um Asyl im Nachbarland bitten, weil ein herrschsüchtiger Potentat dem Neugeborenen brutal nachstellt. Weihnachten war noch nie eine Idylle. Was also tun?

Den Helfenden eine Freude bereiten

Es gibt mehrere Möglichkeiten, das Fest der Feste auch in ­diesem Jahr so zu gestalten, dass es allen zugutekommt. Wer auf vertraute Weise feiern möchte, muss kein schlechtes Ge­wissen ­haben. Es braucht Zeiten, in denen man Kräfte sammelt. So ge­stärkt kann man dann nach Weihnachten wieder richtig zupacken und anderen helfen. Oder man geht am 24. Dezember tagsüber dorthin, wo Menschen einen brauchen. Eine Bekannte von mir besucht an jedem Heiligen Abend mit ihren Söhnen Sterbende in einem Hospiz. Sie bringen kleine Geschenke mit, singen und beten mit denen, die bald gehen müssen. Dann erst wird zu Hause gefeiert. Wer Flüchtlingen eine Freude machen will, kann sich bei der Diakonie vor Ort erkundigen, wo in den Unterkünften Hilfe benötigt wird – bei der Essensausgabe oder dem Verteilen von Gaben.

Wem das alles zu wenig ist, der kann sein ganzes Weihnachtsfest in den Dienst am Nächsten stellen. Wichtig ist es nur, zuerst nachzufragen, wo ein solches Engagement sinnvoll ist. Es könnte sein, dass im eigenen Wohnort alle Welt zu den Flüchtlingen strömt, um ihnen ein schönes Fest zu bereiten. Wie wäre es dann, wenn man den Helfenden selber eine Freude bereitet? Denen, die von Anfang an Tag und Nacht Flüchtlinge willkommen geheißen haben?

Es ist auch denkbar, dort, wo man wohnt, den Männern und Frauen der Polizei, des Technischen Hilfswerkes und all der Wohlfahrtsorganisationen eine Weihnachtsfreude zu machen. Sie tun seit Monaten freundlich, hilfsbereit und kompetent alles, damit Flüchtlinge ohne Angst unter ihr erstes neues Dach schlüpfen können. Weihnachten ist noch nie eine Idylle gewesen. Aber ein Fest, an dem der Himmel zur Erde kommt.

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