Urlauber am Strand von Nida
Foto: Tobias Gerber/laif
Urlaubsseelsorge
Das Pfarrehepaar Oxen/Ulrichs mit einer E-Mail aus Litauen
Foto: Privat
21.08.2015

„Ich weiß noch, wie schön hier der Sommer 1944 war“, sagt die ältere Dame, die mir beim Kaffee nach dem Gottesdienst gegenübersitzt. Sie erzählt von ihrer Kindheit im ostpreußischen Königsberg und ­erinnert sich: „Ich war jedes Jahr mit ­meinen Eltern auf der Nehrung.“

###autor###Nida ist ein litauischer Ferienort auf der Kurischen Nehrung, auf Deutsch heißt er Nidden. Bis zum Versailler Vertrag 1919 ­gehörte er zum Deutschen Reich und danach noch einmal von 1939 bis 1945. Am Ende des Zweiten Weltkrieges flohen fast alle Einwohner vor der heranrückenden Roten Armee nach Westen. Ihre Kinder und Enkel kommen heute als Touristen hierher. Wir sind in diesem Sommer als ­Urlaubsseelsorger in Nida. Jeden Vormittag halten wir die evangelische Kirche offen, und sonntags feiern wir deutschsprachige Gottesdienste. Die schlichte Fischerkirche mit dem Chorraum im „Niddener Blau“ ist ein Ort der Erinnerung und Begegnung. Den Sonntagsgottesdienst besuchen dreißig bis siebzig deutsche Touristen, danach verwandelt sich das Gemeindehaus immer in ein Erzählcafé.

Fluchterinnerungen

Denn die meisten deutschen Besucher kommen nicht nur wegen der Schönheit der Landschaft an diesen schmalen Streifen zwischen Haff und Ostsee. Sie sind Nachfahren der früheren Bewohner und wollen die Orte kennenlernen, die in ihrer Bio­grafie eine so wichtige Rolle gespielt haben, oft über Generationen hinweg. Wenige Fragen ge­nügen meist, und wir hören bewegende Geschichten davon, was der große Krieg für die vielen kleinen ­Lebensläufe bedeutet hat. „So alt war ich, als meine Mutter damals mit mir auf die Flucht gehen musste“, sagt etwa ein alter Mann mit Tränen in den Augen, als er unsere Kinder sieht. „Sie hat mich auf dem Arm getragen.“ Nach Jahrzehnten ist er nun zurückgekehrt. Und  es werden persönliche Erinnerungen und alte Gefühle wieder lebendig.
 

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