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Vor und während des Irakkrieges verging praktisch kein Tag, an dem nicht die amerikanische oder die irakische Seite in den Medien damit zitiert wurde, wie sie sich in ihrem Handeln auf Gott berief. Gott musste herhalten zur Bestätigung menschlicher Strategien, zur Begründung von Kriegshandlungen.
Gott als Legitimator? Woher wollen wir eigentlich so genau wissen, was er in konkreten Entscheidungsfragen will? Ist er wirklich der große Aufpasser? Der Richter und Rächer?
Dazu eine kleine Geschichte: Ein Pfarrer besitzt einen üppig tragenden Apfelbaum. Er freut sich auf die Ernte. Doch in der Nacht zuvor klauen ihm Buben die schönsten Äpfel weg. Er ärgert sich fürchterlich und hängt in den Baum ein Schild mit der drohenden Aufschrift: "Achtung! Der liebe Gott sieht alles!" Am nächsten Morgen sind weitere Äpfel geklaut. "Das kann doch nicht wahr sein", denkt der Pfarrer. Er blickt auf das Schild und bemerkt: Jemand hat die Aufschrift ergänzt. Sie lautet jetzt: "Achtung! Der liebe Gott sieht alles . . . aber er verpetzt dich nicht!"
Genau so sehe ich es auch. Gott ist nicht der, der strafend herabschaut und nur darauf wartet, dass ich etwas falsch mache. Er ist nicht der, der die Menschen überwacht und sich unmittelbar einschaltet, wenn sie etwas Unrechtes tun, der sie hier und jetzt straft oder Böses rächt.
Gott ist so, wie ihn uns Jesus gezeigt hat: der liebevolle Vater, an den er sich jederzeit wenden konnte, an den er sich vor allem richtete, wenn es ihm schlecht ging. Ein solches Gottesbild prägte mich schon als Kind.
Zugegeben: Als Erwachsener kann ich nicht mehr so einfach von Gott reden wie als Kind. Ich weiß und erlebe es immer wieder schmerzlich, dass es auch eine andere Seite Gottes gibt: eine dunkle, unverständliche. Ich weiß, dass ich mit Gott hadern darf und manchmal auch muss. Ich habe es getan nach Eschede und Erfurt ebenso wie über die Situation im Irak unter Saddam Hussein und während des Krieges.
Aber eine Erfahrung aus meiner Kindheit hat sich durchgehalten: Gott ist für mich da, wenn ich ihn brauche. Das Bild von Gott als dem Hirten, wie es die Bibel so wunderbar schildert, gibt mir immer noch viel, ebenso wie das des Vaters. Aber ich weiß auch, wie leicht es sein kann, dass ein Bild, das mir persönlich sehr wichtig ist, anderen gar nichts sagt oder sogar negative Assoziationen auslösen kann.
So ist der Vatertitel für mich im persönlichen Gebet die wichtigste Gottesanrede. Und lange Zeit war er dies auch in meinen Gebeten im Gottesdienst. Bis ich lernte, dass es für viele Frauen schwer zu verstehen ist, wenn wir Gott ausschließlich mit männlichen Attributen bezeichnen, so, als ob Gott ein Mann wäre.
Dabei haben wir in der Bibel schöne Aussagen über Gott, die ihn mit weiblichen Attributen beschreiben: So wie ein Adlerweibchen seine Jungen ausführt und über ihnen schwebt, so breitete Gott seine Fittiche aus . . .
Heute rede ich in meinen Gebeten gut biblisch von der "mütterlichen Liebe Gottes" oder formuliere in der Gebetsanrede: "Gott, der du uns Vater und Mutter bist." Warum sollte er mich dabei nicht erhören und alle, die zu ihm beten? Vorausgesetzt, wir vereinnahmen ihn nicht für eigenwillige, persönliche Entscheidungen. Johannes Friedrich