Ändern muss sich vieles. Darin sind sich hier alle einig. Ändern wird sich mal wieder – nichts. Auch darin sind sich alle einig. Die Enttäuschung über die Ära der ersten weiblichen Präsidentin Costa Ricas, Laura Chinchilla, ist deutlich spürbar. „Laura“ nennt sie keiner mehr. Vier Jahre Stagnation, alle wichtigen Entscheidungen endlos vertagt: Das geht selbst den entspannten und geduldigen Costarricanern zu weit.
Das kleine mittelamerikanische Land rangiert auf dem Glücksbarometer stets auf den obersten Rängen. Subtropische Landschaft und freundliche Menschen wirken einladend. Costa Rica hat in den letzten Jahrzenten eine radikale Entwicklung vollzogen: vom Bananen- und Kaffeeproduzenten und leicht verschlafenen Reiseziel für Naturliebhaber mitten hinein ins 21. Jahrhundert.
Das führte zu tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen: Der breite Mittelstand, jahrzehntelang Garant für die soziale Stabilität, bröckelt. Immer mehr „Neue Reiche“ stehen einer wachsenden Zahl Armer gegenüber, die vom Fortschritt abgehängt sind. Die Familie, bisher Dreh- und Angelpunkt des Lebens, lockert ihre starken Bande. Die junge Generation möchte nicht mehr jedes Wochenende im Kreis der Großfamilie verbringen. Sie ist gut ausgebildet und will vor allem viel Geld verdienen und konsumieren.
Die sozialen Spannungen nehmen zu, die Traditionen lösen sich auf, es fehlt an Orientierung. Aber, so sagen sie hier, die politische Klasse schläft oder nutzt ihre Position, um die eigenen Taschen zu füllen. Es ist nicht üblich in Costa Rica, deutlich seine Meinung zu sagen oder gar Kritik zu üben. Aber in diesen Wochen hört man immer wieder „Qué vergüenza – wie peinlich“ über die momentane Politik.
Ratlosigkeit allenthalben, quer durch alle Schichten. Der Unmut wächst. Vielleicht noch nicht bei diesen Wahlen, aber sollte sich weiterhin nichts ändern, wird der politischen Klasse eines Tages die rote Karte gezeigt werden.
REUTERS/REUTERS / JUAN CARLOS ULATE
In Costa Rica leben laut Glücksbarometer die zufriedensten Menschen Lateinamerikas. Noch. Denn: Die sozialen Spannungen nehmen zu, und die Politik schaut weg, meint Marion Storjohann aus der deutschen Gemeinde in San José. Daran werden auch die Wahlen am Sonntag nicht viel ändern.
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