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Der alte Adel, das war schon was. Blaues Blut! Wenn meine Oma beschrieb, wer bei Festen, Feiern, Trauerfeiern zu Gast war, spielten Herkunft, Abstammung und Zugehörigkeit die bedeutende Rolle. „Die sind verwandt mit dem Hause Württemberg, mit den Fürstenbergern und den Hohenzollern der Sigmaringer Linie. Und er ist der Enkel des berühmten Admirals von Schmirgel. Sie ist eine der Erbinnen der Rotzopf-Brauerei, in die ihr Vater eingeheiratet hat. Ein an sich unbedeutender Mensch, ein Schauspieler.“
Heute? Wir? Na, das fehlt uns gerade noch, solche Scheinprominenz, die auf der Leistung von Vorfahren und nicht auf der eigenen beruht! Wir Bundesrepublikaner brauchen so was nicht. Wir sind alle gleich wert, gleich bedeutend. Wichtiger als blaues Blut ist uns der Blues. Wichtiger als Herkunft ist uns die Zukunft! Und die Gegenwart.
Neulich haben zwei Frauen aus einem mittelständischen Unternehmen, zuständig für Eventmanagement, darüber gesprochen, wie man die Party zum Firmenjubiläum ein wenig aufwerten könnte. „Wenn das richtig gut werden soll, Angie, halt ein Topereignis für die Region, dann brauchen wir einfach ein paar richtige A-Promis, die man sofort erkennt.“ Angie kam aus dem Kopfnicken gar nicht mehr heraus: „Ja, genau. Mein Mann kennt diesen Staatssekretär aus dem Wirtschaftsministerium.“ – „Das ist ein C-Promi!“, warf die Kollegin mit tief gerunzelter Stirn ein, „Nee, nicht so Zweite-Reihe-Politiker. Wir brauchen Leute aus dem Fernsehen! Diese eine Tatort-Kommissarin zum Beispiel oder dieser tolle TV-Koch, der... Nawieheißterdenn? Jetzt fällt mir der Name nicht ein.“ Angie nutzte die Chance zur Revanche. „Dann kann er auch kein A-Promi sein. Ich würde den Schweinsteiger einladen und den Klopp.“
„Meinste, die kommen zu so was wie unserem Jubiläum? Meine Kusine ist mit ’nem Typen liiert, der ist der beste Freund vom Bruder des Medienberaters von Klopp. Den frag’ ich mal.“ Angie senkte die Stimme zum für mich kaum noch verständlichen Raunen: „Ich fände ja den Clooney riesig. George Clooney. Der soll gerade im Harz einen neuen Film drehen.“
„Immerhin habe ich ihn mal im Fernsehen gesehen ...“
Die Kollegin, von der ich inzwischen wusste, dass sie auf den Namen Rebecca hörte, schürzte die Lippen: „Für 50.000 macht der so was, habe ich gehört. Aber da macht unser Chef nicht mit.“ Zeit, über diesen abzulästern. Der sei ja ein total verkopfter Naturwissenschaftler. Rebecca hatte ihn gefragt, wen er sich so wünsche auf der Gästeliste. „Da ist ihm nicht viel eingefallen. Irgend so ein Chemie-Prof, der vor ein paar Jahren knapp am Nobelpreis vorbeigesegelt sein soll. Und dann die Bürgermeisterin. Logisch. Und irgend so ein Literatengirl, das gerade einen Schiller- oder Goethe- oder Sonst-was-Preis gewonnen hätte.“
Angie konnte das Lachen nicht mehr halten. „Typisch für den alten Leo“, prustete sie und versprühte ein wenig Kaffee über den Tisch im Wirtshausgarten, „Wer liest denn heute noch so komische Bücher? Schreiberlinge sind keine VIPs, außer dem Opa da, diesem Dings, der das krasse Buch über diese Trommel geschrieben hat. Aber der hat was gegen Wirtschaft und außerdem ist er fast 90, glaube ich.“
„Und dann wollte er noch diesen Comedian, diesen total unlustigen, der nur über Politik und so was Witze macht. Diesen Kabarett-Fredi – Name fällt mir jetzt nicht ein“, grübelte Rebecca. „Aber ich habe ihn immerhin mal im Fernsehen gesehen, auf 3Sat oder so, nix Wichtiges, aber immerhin.“ Wenigstens einer, der aus dem Publikum mit der größten denkbaren Anerkennung bedacht werden könnte, mit dem Ausruf: „Sie kenne ich! Aus dem Fernsehen!“
Wehmut beschlich mich als Zaungast dieser Erörterung. Ich, der Freund der Republik, sehnte mich nach dem alten Baron K., der sich mir, einem Teenager, vor 40 Jahren auf einer Feier der „Generalin“, der besten Freundin meiner Oma, vorgestellt hatte: „Ich bin die 17. Degeneration unseres Hauses.“
Ja, es ist verdammt schwer, bedeutsam zu sein, wenn man auf seiner Gästeliste nur komische Literaturmädels und Fast-Nobelpreisler hat. Und niemanden, der im Fernsehen kocht oder kickt. Und dann rief Angie: „Wer gibt uns die 50.000 für den schönen George?“