Im Streit um E10 vermeidet Dirk Niebel ein Wort: Verzicht. Schade!
Tim Wegner
20.08.2012

   Der Entwicklungshilfeminister hat sein Thema gefunden: Weil sich durch die Trockenheit in den USA abzeichnet, dass Getreide knapp wird, empfiehlt Dirk Niebel, den so genannten Biokraftstoff E10 nicht mehr zu tanken.

Der Minister greift damit jenen Konflikt auf, der unter der Überschrift „Tank oder Teller?“ ausgetragen wird, und zwar seit Jahren. Taktisch ist das klug, E10 hat bei den Autofahrern ohnehin keinen guten Ruf. Und wer will schon an der Tankstelle dafür verantwortlich dafür sein, dass Menschen hungern müssen?

Es mag sein, dass Dirk Niebel durch die Eindrücke, die das Amt ihm gebracht hat, ernsthaft vom ethischen Konflikt zwischen Nahrungsmittelanbau einerseits und der Gewinnung von Biokraftstoffen andererseits umgetrieben wird. Das kann ihm niemand absprechen. Und doch fällt sein Vorschlag in die Kategorie jener Vorstöße, die eine Sehnsucht nach einfachen Lösungen in einer komplexen Welt bedienen.

Sehnsucht nach einfachen Lösungen

So einfach, wie Niebel die Dinge sieht, sind sie aber nicht. Das wird klar mit dem Blick auf die Dinge, die der Minister nicht erwähnt. Er sagt nichts dazu, dass Biokraftstoffe beim Getreideanbau nicht der einzige Konkurrent um die Flächen  sind. Sonst müsste er die Deutschen auffordern, nicht nur um den E10-Zapfhahn, sondern auch um die Fleischtheke einen großen Bogen zu machen. Weil immer mehr Fleisch gegessen wird, braucht es auch mehr Weideland – und Getreide, das an die Tiere verfüttert wird. Und: Der Minister sagt zwar, dass es schlaue Ideen brauche, um nicht nur die Frucht – also das Getreide – zur Spritgewinnung zu nutzen, sondern auch die Reste der Pflanze. Er sagt aber nicht, dass solche Verfahren längst bekannt sind. Schöner wäre es, er setzte sich am Kabinettstisch für ihre Förderung ein, aber in Union und FDP hat das Engagement für erneuerbare Energien und nachwachsende Rohstoffe leider gerade keine Konjunktur.

Und vor allem: Wie die meisten Politiker scheut sich Niebel davor, ein unangenehmes Wort in den Mund zu nehmen: Verzicht. Wer kein E10 tankt, muss normales Benzin tanken. Das löst kein einziges Problem, im Gegenteil: Das bei der Verbrennung frei werdende Kohlendioxid verschärft den Treibhauseffekt – mit der wahrscheinlichen Folge, dass es mehr Dürren gibt. Und also auch: Hunger. Das Öl ginge zudem noch schneller zur Neige; Preissteigerungen und die Gefahr von Rohstoffkonflikten eingeschlossen.

Verzicht der deutschen Automobilhersteller auf schwere und hoch motorisierte Fahrzeuge; Verzicht von Autofahrern, kurze Strecken im PKW zurückzulegen – das ist leider nicht sexy, aber auch dann würde weniger E10 getankt werden.

Schade, dass der Minister nicht auch darüber spricht!

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