BERND REUTER
St. Pauli in Lemgo ist Trägerin von Modellprojekt Mehrgenerationenhaus
11.06.2012

Die evangelisch-reformierte Gemeinde St. Pauli  in Lemgo ist Trägerin eines Mehrgenerationenhauses. Kinderbetreuung und Berufsberatung, sozialpädagogische Einzelfallhilfe und Café für junge Mütter sind nur einige Stichworte für die Angebote, die das Haus bereitstellt – und zwar für alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Gefördert vom Bund und der Gemeinde Lemgo hat sich die Kirchengemeinde auf das Abenteuer eingelassen, ein solches Mehrgenerationenhaus einzurichten und eine Sozialarbeiterin mit halber Stelle einzustellen, die die Arbeit koordiniert. Und diese Arbeit lebt vom ehrenamtlichen Engagement.

Es gibt so einige Begriffe, die bei der Arbeit des Mehrgenerationenhauses immer wieder auftauchen: Kirche ohne Mauern, raus aus dem Kirchengetto oder Gemeinwesenarbeit. Letztlich läuft es auf das Motto hinaus, das sich die Gemeinde für ihre Mehrgenerationenhaus gegeben hat: „Wir für Lemgo“. Im Gespräch mit Pfarrer Helge Seekamp wird schnell klar, dass die Gemeinde ihr Mehrgenerationenhaus nicht nur auf Planung begründet hat. Sie hat aufgebaut auf einem Engagement, das bereits mehrere Jahre Vorlauf hat. Unter dem Dach des Mehrgenerationenhauses ist nun mit professioneller Unterstützung etliches von dem zusammengefasst worden, was schon vorher rein ehrenamtlich geleistet wurde.

„Das ehrenamtliche Engagement prägt unsere Gemeinde“, sagt Seekamp und kann stolz darauf verweisen, dass rund 250 Menschen sich freiwillig in den verschiedenen Bereichen für andere einsetzen. Wenn man weiter in der Geschichte zurückgeht, stößt man auf eine „Kulturkneipe“, die jugendliche Christen 1994 gegründet und bis 2003 betrieben hatten. „Wir waren damit aus dem Kirchenghetto ausgebrochen“, erinnert sich Seekamp. Die Kulturkneipe war eine Art Keimzelle für das, was dann folgte: Ob dies der Holzwurm ist, in dem Menschen mit psychischen Problemen eine Beschäftigung in der Holzwerkstatt finden, der Gesprächskreis Demenz für pflegende Angehörige oder die Vermittlung von Nachbarschaftshilfe durch das Netz-Büro der Gemeinde. Das „n.e.t.z.“ steht für „nah, engagiert, tragfähig, zweckmäßig“ und steht für die Vermittlung von Nachbarschaftshilfe auf ehrenamtlicher Basis, aber auch von Haushaltshilfen oder Babysitterdiensten gegen eine Aufwandsentschädigung oder Honorar.

„Nicht in zwei Welten denken“

„Wir waren schon immer stark sozial engagiert, hatten aber nicht immer das notwendige Know-how“, sagt Seekamp. Dabei stand im Vordergrund, dass Kirche nicht in zwei Welten denken sollte, etwa „Die da draußen – wir da drinnen“. Auch deshalb fällt bei der Überlegung, dem Mehrgenerationenhaus einen eigenen Namen zu geben, der Begriff „Torhaus“. Wie ein Torhaus in einer mittelalterlichen Stadt dazu da gewesen sei, sich zu begegnen und einen Übergang zwischen dem Inneren der Stadt und der Welt draußen zu bieten, so verstehe sich auch diese Arbeit, beschreibt es Seekamp: „Menschen, die sich hier treffen, sind nicht immer ganz drinnen, also kirchlich gebunden. Sie sind aber auch nicht draußen“. Man könnte auch sagen „Gemeinwesenarbeit mit geistlichem Hintergrund, auch wenn die Hilfe nicht immer geistlicher Art ist“, so der Pfarrer. Und so kommen hier auch Asylbewerber oder junge Mütter, um sich auszutauschen und zu stützen und hier gibt es ein internationales Frauencafé.

„Das Mehrgenerationenhaus hat uns viele Aufgaben beschert, die auch Herausforderungen bedeuten“ – der Pfarrer sieht durchaus, dass auch bisherige Arbeitsweisen dadurch eventuell in Frage gestellt werden und Druck zur Veränderung entsteht. „Das macht Stress. Aber Stress ist ein Spannungsphänomen, das zum Leben gehört.“ Und wenn man gemeinsam Lösungen suche und finde, wende er sich ins Positive.

Modellprojekt für den Landkreis

Das Ehrenamt etwa habe sich durch die professionelle Unterstützung weiterentwickeln können, ohne das spezifisch christliche Engagement aufzugeben. Und so bietet die Gemeinwesenarbeit der St. Pauli-Gemeinde in Lemgo zwar manche maßgeschneiderte Dienstleistung an, wie sie auch Behörden oder vereine im Angebot haben. „Doch bei uns gibt es auch Gemeinschaft“, beschreibt Seekamp das Plus von St. Pauli. Das zeigt sich nicht zuletzt an den Gottesdiensten, die – abgestimmt auf die Bedürfnisse der verschiedenen Gruppen in der Gemeinde – in unterschiedlicher Form angeboten werden. Ob es das Volxkirchenprojekt ist, das auf Beteiligung der Besucher setzt, oder das Promiseland für die fünf- bis 12-Jährigen, der klassische oder eher popkulturelle Gottesdienst – die Begegnung der Generationen  möglich zu machen, ist auch hier ein Schwerpunkt. Und insofern könnte die Gemeinde, deren Mehrgenerationenhaus als Modellprojekt für den Lippischen Landkreis anerkannt ist, vielleicht auch zu einem Modellprojekt für die Lippische Kirche werden.

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