Sie wollen an die reformatorischen Wurzeln des Unternehmertums erinnern. Wie sehen diese Wurzeln aus?
Michael J. Inacker: Martin Luther brachte zwei wichtige Prinzipien zusammen: Freiheit und Verantwortung. Die Reformation hat dem Menschen Mut gemacht, seinen Glauben aus freier und eigener Entscheidung zu leben. Luthers Auftritt auf dem Wormser Reichstag hat das Vernunft- und Gewissensprinzip des Einzelnen gegenüber den Autoritäten der damaligen Zeit eingeführt. Diese Entwicklung setzte Energien und Kreativität frei – weshalb Protestantismus und Unternehmertum zusammengehören.
Und was ist mit der Verantwortung?
Sie bedeutet für Unternehmer und Manager, dass ihr Handeln nicht nur dem Profit dienen kann, sondern an Verantwortung gebunden ist – gegenüber Mitarbeitern, Kunden und der Umwelt.
Das Vertrauen in die Marktwirtschaft bröckelt. Wie gewinnen Sie es zurück?
Wir brauchen ein Verantwortungsbekenntnis der Wirtschaft, dass einzelne Unternehmer und Manager Fehler gemacht haben. Aber: Schuld ist eben an diese Einzelnen gebunden, nicht an das System der sozialen Marktwirtschaft. Die Bankenkrise in den USA hatte ihre Ursachen vor allem in einer falsch verstandenen Sozialpolitik. Viele Menschen, die es mit ihren Einkommen nicht konnten, sollten sich ein Haus kaufen können. Die Marktwirtschaft hat aber letztlich funktioniert, indem sie diese Fehlentwicklung an den Immobilienmärkten aufgedeckt hat.
Auch viele Christen zweifeln an der Marktwirtschaft. Was erwidern Sie?
Wir erinnern daran, dass Protestanten an der Entstehung der sozialen Marktwirtschaft beteiligt waren. Viele machten sich – wie Dietrich Bonhoeffer – im Kirchenkampf gegen die Nazis Gedanken, dass die Freiheit, auch die der Märkte, die beste Möglichkeit sei, Totalitarismen entgegenzuwirken. Über diese protestantischen Wurzeln der sozialen Marktwirtschaft wird in der Kirche fast verschämt geredet.
Was ist für Sie das Soziale an der Marktwirtschaft?
Dass sie ein Aufstiegsversprechen gibt. Deshalb schärfen wir an Schulen das Bewusstsein, dass man mit eigenen Ideen etwas erreichen kann, damit sich soziale Barrieren nicht verfestigen. Und zeichnen mit der Luther-Rose am 10. November, Luthers Geburtstag, wieder einen Unternehmer aus, der erfolgreich wirtschaftet und sich seiner sozialen Verantwortung bewusst ist.
„moral hazard“ statt falscher Sozialpolitik
Ich lese seit Jahren sehr gerne Chrismon, meist finde ich alle Beiträge sehr originell und lesenswert. Doch dieses Mal hat mir ein Beitrag fast die Sprache verschlagen und nur mit einer Erwiderung kann ich mich beruhigen.Das Interview mit Herrn Inacker „Marktwirtschaft hat protestantische Wurzeln“ finde ich akzeptabel, aber nicht seine Verdrehung der Fakten über die „Supreme-Krise“, Auslöser der Bankenkrise 2008.
Investmentbanker in Verbindung mit den drei Ratingagenturen haben leer stehende Immobilien in USA mit jährlichen Wertsteigerungen von über 10 % so hoch gerechnet, dass auch Bürger mit schlechter Bonität reich gerechnet wurden. Die Raten der ersten zwei Jahren wurden noch mitfinanziert, so dass die Käufer in den ersten beiden Jahren fast keinen Kapitaldienst erbringen mussten. Später würden die Wertsteigerungen einen realen Wert darstellen. Nur haben die Initiatoren diese Kredite nicht behalten, sondern sehr schnell an Fonds verkauft, die von den Ratingagenturen mit AAA bewertet wurden – europäischen Banken haben sich um diese hoch verzinslichen und gut benoteten Papiere gerissen.
Das ist ein extremes Beispiel für „moral hazard“ einer „kriminellen Vereinigung“ von Investmentbankern und Ratingagenturen.!
Dieses Vorgehen als verfehlte Sozialpolitik darzustellen, die von den Marktkräften bereinigt werden musste, ist eine Perversion der Fakten.
Zu meiner Person: Ich verfüge über 40 Jahre Erfahrung im Kreditgeschäft, bin langjähriger Dozent mehrerer Akademien (Frankfurt School of Finance, Finance Akademie, Bonn u.a.) und Autor mehrer Bücher zum Kreditgeschäft der Banken.
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Unverständnis oder Verschleierung?
Die Verantwortung, über die sich der Befragte da äußert, ist eben nicht nur einzelnen "bösen" Unternehmern und Manangern zuzuschreiben. Sondern das marktwirtschaftliche System tendiert dazu, eben das Gegenteil von Gerechtigkeit oder Wohlfahrt zu erzeugen, weil es Einkommen und Besitz in einem gesellschaftsschädigenden Maß bei wenigen zentriert, wenn es nicht von einem entschieden handelnden starken Staat eingehegt wird.
Es war natürlich auch nicht Ziel einer amerikanischen Sozialpolitik, daß sich "viele Menschen ein Haus kaufen können sollten". Sondern diese von Anfang an faulen Kredite, von denen klar war, daß keinerlei Aussicht auf Rückzahlung besteht, wurden gebraucht, damit die großen Geldvermögen auf Kosten der "vielen Menschen" weiter vermehrt werden konnten.
Und es ist ja eben das "Aufstiegsversprechen", das genau nicht mehr existiert. Wenn wir heute wollten, das es unseren Kindern einmal noch besser geht als uns, dann müssten wir schleunigst aus dem habgierigen Teufelskreis des Immer-Mehr aussteigen und eine Gesellschaft konstruieren, die ihrer Wirtschaft andere Ziele vorgibt.
Sie lassen einen Interviewpartner unkommentiert, der entweder nichts aus den beiden großen Krisen der Finanzwirtschaft verstanden hat oder mit seinen Antworten die tatsächlichen Verhältnisse verschleiert, weil er von ihnen profitiert.
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