Denis Mukwege
epd-bild/Norbert Neetz
Signal gegen sexuelle Gewalt in Kriegen: Der Friedensnobelpreis geht in diesem Jahr an zwei mutige Weltbürger. Geehrt werden ein Arzt und eine Aktivistin, die einst selbst Opfer war.
05.10.2018

Der Friedensnobelpreis 2018 geht an den kongolesischen Arzt Denis Mukwege und die Jesidin Nadia Murad aus dem Irak. Damit würdigt das norwegische Nobelkomitee deren Einsatz zur Bekämpfung von sexueller Gewalt als Waffe in Kriegen und Konflikten. "Wir wollen die Botschaft aussenden, dass Frauen als Kriegswaffen missbraucht werden, dass sie Schutz brauchen und dass die Täter verfolgt werden müssen", sagte die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen, am Freitag in Oslo.

Die Auszeichnung für Mukwege und Murad wurde international begrüßt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gratulierte den Preisträgern. "Mit Ihrer Unerschrockenheit haben Sie die Aufmerksamkeit der Welt auf das Problem der furchtbaren Vergewaltigungen in Kriegen gelenkt", schrieb er an den Arzt Mukwege. Der jungen Jesidin Murad dankte er mit den Worten: "Sie haben es geschafft, den Opfern eine weltweit gehörte Stimme zu geben." UN-Generalsekretär António Guterres sicherte den Preisträgern seine Unterstützung im Kampf gegen sexuelle Gewalt zu.

Murad und Mukwege stünden für einen "Schrei nach Menschlichkeit", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert im Namen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Außenminister Heiko Maas (SPD) erklärte: "Wir haben Verantwortung, Frauen zu schützen, uns für Gerechtigkeit und Strafverfolgung einzusetzen und Vergewaltigung als Mittel der Kriegsführung zu verhindern und zu ahnden."

"Ungewöhnlicher Mut"

Das Nobelkomitee würdigte, dass die Preisträger die Aufmerksamkeit der Welt auf sexuelle Kriegsverbrechen gelenkt und dabei ihre persönliche Sicherheit aufs Spiel gesetzt hätten. Der 63-jährige Gynäkologe Mukwege operiert im Ostkongo vergewaltigte und schwer verstümmelte Frauen. Er galt schon seit längerem als Anwärter auf den Friedensnobelpreis, 2013 hatte er bereits den Alternativen Nobelpreis erhalte.

Die heute 25 Jahre alte Jesidin Murad war vor vier Jahren im Irak von islamistischen Terroristen verschleppt worden. Sie sei eine Zeugin, die über die von ihr selbst und von anderen erlittenen Gräueltaten berichte. "Sie hat ungewöhnlichen Mut bewiesen, indem sie ihr eigenes Leiden geschildert und im Namen anderer Opfer gesprochen hat", erklärte das fünfköpfige Nobelkomitee.

Über ein Programm für traumatisierte Flüchtlinge kam Murad nach Deutschland. Sie lebt in Baden-Württemberg und engagiert sich seit 2016 als UN-Sonderbotschafterin für die Würde der Überlebenden von Menschenhandel. Sie sei eine von schätzungsweise 3.000 jesidischen Frauen und Mädchen, die der Gewalt der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) ausgeliefert waren, erklärte das Nobelkomitee.

Mukwege reagierte tief bewegt auf die Auszeichnung. Als er die Nachricht erhalten habe, sei er im Panzi-Hospital in der ostkongolesischen Stadt Bukavu gewesen, sagte der Gynäkologe in einem Telefoninterview mit dem norwegischen Nobelkomitee. "Ich war gerade am Operieren, als ich hörte, wie die Leute anfingen zu weinen, es war so berührend", sagte er. "Ich kann in den Gesichtern von vielen Frauen sehen, wie glücklich sie sind, wahrgenommen zu werden", betonte er.

Erst die 17. Preisträgerin

Der Zentralrat der Jesiden in Deutschland nannte den Preis für Murad "überfällig". Die Auszeichnung gehe an alle jesidischen Frauen, sagte die stellvertretende Vorsitzende Zemfira Dlovani. Der Psychologe und Trauma-Spezialist Jan Ilhan Kizilhan hält den Friedensnobelpreis für Murad für ein wichtiges Signal an alle Jesiden. Kizilhan hatte Murad ärztlich betreut, nachdem sie sich wie andere Frauen aus der Gewalt von IS-Terroristen befreien konnte. "Diese Auszeichnung ist sicher auch Anerkennung, dass dieser Völkermord an den Jesiden passiert ist, und stellt auch sowas wie Gerechtigkeit dar", sagte er dem SWR.

Auf die Frage, ob die Preisvergabe im Zusammenhang mit der internationalen #MeToo-Kampagne gegen sexuellen Missbrauch stehe, sagte die Komiteevorsitzende, die Aufklärung von Kriegsverbrechen gegen Frauen und #MeToo seien nicht ganz dasselbe. "Aber beides hat zum Ziel, Missbrauch sichtbar zu machen und Frauen dazu zu bringen, Vorstellungen von Schande hinter sich zu lassen und über das zu sprechen, was ihnen angetan wurde", sagte Reiss-Andersen. Murad ist erst die 17. Frau, die den Friedensnobelpreis erhält, der seit 1901 vergeben wird.

Der Friedensnobelpreis ist in diesem Jahr mit neun Millionen schwedischen Kronen (etwa 874.000 Euro) dotiert. Er wird am 10. Dezember, dem Todestag von Preisstifter Alfred Nobel (1833-1896), in Oslo verliehen. Im vergangenen Jahr wurde die Internationale Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen (Ican) ausgezeichnet.

Beim Nobelkomitee waren in diesem Jahr 331 Nominierungen für den Preis eingegangen, 216 für Persönlichkeiten und 115 für Organisationen. Das war die bislang zweithöchste Zahl von Vorschlägen - nach dem Rekord von 376 Einreichungen im Jahr 2016.

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